31. Urteil der II. Zivilabteilung vom 2. September 1959 i.S. H. gegen S. und den Kleinen Rat des Kantons Graubünden. | |
Regeste | |
1. a) Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann mit einer ergänzenden oder eventuellen staatsrechtlichen Beschwerde in gemeinsamer Eingabe vereinigt werden.
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Art. 104 Abs. 1 und Art. 107 OG (Erw. 1).
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2. Wann ist ein blosser Zwischenentscheid oder eine prozessleitende Verfügung mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde anfechtbar? Wann mit staatsrechtlicher Beschwerde? Art. 97 ff. und Art. 87 OG (Erw. 2).
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Sachverhalt | |
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B.- Das Urteil gelangte auf diplomatischem Weg an das eidgenössische Amt für Zivilstandswesen und weiter an das Graubündner Departement des Innern als kantonale Aufsichtsbehörde in Zivilstandsregistersachen, das es im August 1953 dem Zivilstandsamt Seewis i.P. "zur Eintragung im Familienregister" überwies.
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C.- Nachdem H. am 4. Juli 1958 in Caracas gestorben war, ersuchte die von ihm geschiedene Frau S. das Graubündner Departement des Innern um Löschung des angeblich unter falschen Voraussetzungen erfolgten Scheidungseintrages. Das Departement entsprach diesem Begehren und wies das Zivilstandsamt Seewis i.P. am 2. September 1958 an, den erwähnten Eintrag im Familienregister zu löschen. Die Begründung geht dahin: Der Ehemann habe das Scheidungsurteil ohne Wissen der Ehefrau durch unwahre Angaben im Versäumnisverfahren erschlichen. Weil es unter Missachtung der Verteidigungsrechte der Ehefrau erwirkt worden sei, widerspreche es der öffentlichen Ordnung ![]() ![]() | |
D.- Über diese Departementsverfügung beschwerte sich beim Kleinen Rat namens der minderjährigen Tochter der Gesuchstellerin, Anna Maria H., deren Tante Fräulein A. H., die am 4. September 1958 von der Vormundschaftsbehörde von Seewis i.P. als deren Vormund ernannt worden war.
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E.- Frau S. wandte gegenüber dieser Beschwerde in erster Linie ein, sie werde von einem nicht gültig, nämlich nicht von der örtlich zuständigen Vormundschaftsbehörde, und zudem nicht auf gesetzliche Weise ernannten Vormunde geführt. Frau S. rekurrierte zugleich gegen die Anordnung der Vormundschaft beim Bezirksgerichtsausschuss Unterlandquart.
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F.- Mit Rücksicht hierauf "erkannte" der Kleine Rat am 7. März 1959: "Das Beschwerdeverfahren wird ausgesetzt, bis die zuständige Instanz die Frage der Rechtsbeständigkeit der von der Vormundschaftsbehörde Seewis i.P. für das Kind Anna Maria H. beschlossenen Vormundschaft entschieden hat." Wie den Entscheidungsgründen zu entnehmen ist, hielt der Kleine Rat dafür, es handle sich um eine wichtige zivilrechtliche Vorfrage; deren Beurteilung sei der zuständigen Behörde anheimzugeben, zumal bereits eine die Vormundschaft betreffende Beschwerde hängig sei. Er stützte sich dabei auf eine für das administrative Rekursverfahren geltende kantonale Verordnung, die folgende Bestimmung enthält:
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"Die Rekursbehörde ist auch zu der für die Beurteilung der Hauptsache unerlässlichen Beantwortung von zivilrechtlichen Vorfragen zuständig.
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G.- Gegen dieses "Erkenntnis" hat das Kind Anna Maria H., vertreten durch Fräulein A. H. als Vormund, beim Bundesgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerde, eventuell staatsrechtliche Beschwerde erhoben mit dem Antrag, der Kleine Rat sei einzuladen, die bei ihm geführte Verwaltungsbeschwerde zu behandeln. Zur Begründung wird vorgebracht, das Kind habe an der Aufrechterhaltung der Scheidung seiner Eltern ein erhebliches, namentlich erbrechtliches Interesse. Es sei daher auf alle Fälle zur Sache legitimiert, welches auch der Ausgang des von der Mutter gegen seine Bevormundung erhobenen Rekurses sein möge. Infolge seiner Handlungsunfähigkeit bedürfe das Kind einer gesetzlichen Vertretung. Übrigens bleibe auch eine unzuständigen Ortes angeordnete Vormundschaft rechtsverbindlich, solange sie nicht letztinstanzlich aufgehoben sei. Der Sistierungsbeschluss verletze Bundesrecht, indem er von der falschen Voraussetzung ausgehe, das Kind bzw. dessen Vormund und die Vormundschaftsbehörde könnten unter Umständen als zum Rekurs gegen die Anordnung der Löschung des Ehescheidungseintrages nicht aktiv legitimiert betrachtet werden, nämlich dann, wenn die Vormundschaft letztinstanzlich aufgehoben würde. "Weil wir nicht Gefahr laufen wollen, dass uns, sollte wider Erwarten die Vormundschaft später doch aufgehoben und alsdann,mangels Aktivlegitimation'nicht auf den Rekurs eingetreten werden, entgegengehalten würde, wir hätten die Rechtsmittelfrist versäumt, da der Rechtsstandpunkt des Kleinen Rates schon aus dem Sistierungsbeschluss ersichtlich gewesen sei, erachten wir als ein Gebot der Vorsicht, diesen anzufechten." - Für den Fall der Unzulässigkeit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird beantragt, die Beschwerde sei als staatsrechtliche wegen Verletzung von Art. 4 BV zu behandeln. Dazu wird ausgeführt: Nach dem Gesagten bedeute die Sistierung eine Rechtsverweigerung; ![]() ![]() | |
H.- Sowohl der Kleine Rat als Frau S. tragen auf Nichteintreten an.
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Die Vernehmlassung des eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements tritt in der Sache selbst der Ansicht des kantonalen Departements des Innern bei. Seinerzeit sei das venezolanische Scheidungsverfahren und -urteil irrtümlicherweise als ordnungsgemäss befunden worden. Durch die Löschung habe man dies korrigiert. "Es ist hervorzuheben, dass die Eintragungen der meisten Zivilstandsfälle, insbesondere der Eheschliessungen und Ehescheidungen, selbstverständlich nicht konstitutiv wirken... Darum erscheint es durchaus als richtig, dass auf einen Eintrag im Familienregister zurückgekommen werden kann, dadurch, dass entweder Richter oder Administrativbehörde die Löschung einer vor einiger Zeit gemachten Eintragung verfügen können...".
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1. Wäre es nicht zulässig, Verwaltungsgerichts- und staatsrechtliche Beschwerde in einer und derselben Eingabe zu vereinigen, so könnte doch deshalb nicht ohne weiteres die ganze Eingabe unzulässig sein, wie die Beschwerdegegnerin annimmt. Vielmehr liesse sich dieser Anstand einfach durch Ausschaltung der in zweiter Linie (sei es ergänzend, sei es in eventuellem Sinn) erhobenen staatsrechtlichen Beschwerde beheben. Jedenfalls im vorliegenden Falle würde nichts hindern, dergestalt die Verwaltungsgerichtsbeschwerde allein zu berücksichtigen, da ![]() ![]() | |
Indessen lässt sich gegen die Verbindung dieser beiden Beschwerden nichts Triftiges einwenden. Wenn es nach der Rechtsprechung verpönt ist, eine staatsrechtliche Beschwerde in gemeinsamer Eingabe mit einer Berufung oder mit einer Nichtigkeitsbeschwerde in Strafsachen einzureichen (vgl.BGE 63 II 38,BGE 68 IV 10, BGE 82 II 398, BGE 82 IV 54 Mitte), so deshalb, weil diese Rechtsmittel verschiedenen Verfahrensregeln unterworfen sind, sowohl was die Einreichung wie auch was das vom Gericht zu beobachtende Vorgehen betrifft. Damit jedes dieser Verfahren ordnungsgemäss und ungestört abgewickelt werden kann, ist die getrennte Geltendmachung der erwähnten Rechtsmittel je in besonderer Eingabe geboten. Dagegen lässt sich mit einer Verwaltungsgerichtsbeschwerde füglich in derselben Eingabe eine staatsrechtliche Beschwerde verbinden, für die im wesentlichen übereinstimmende Verfahrensregeln gelten (vgl. Art. 107 OG), so gut wie nichts entgegensteht, einer Berufung eine eventuelle Nichtigkeitsbeschwerde in Zivilsachen in gemeinsamer Eingabe anzufügen (vgl. BGE 81 II 304 ff., ferner BGE 82 II 565 /66, wo die Umdeutung des einen dieser Rechtsmittel in das andere erwogen wurde). Es ist denn auch schon die Vereinigung einer Klage nach Art. 111 lit. a OG mit einer konnexen staatsrechtlichen Beschwerde zugelassen worden (BGE 81 I 186 Erw. 5, a am Ende).
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Ja, es erhebt sich die Frage, ob in den der Verwaltungsgerichtsbeschwerde unterstehenden Rechtsgebieten nicht überhaupt als Teil dieser Beschwerde auch die Rüge einer Verletzung der Bundesverfassung, insbesondere des Art. 4, vorgebracht werden dürfe. In der Tat kann nach Art. 104 Abs. 1 OG mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde ganz allgemein jede Verletzung von Bundesrecht gerügt werden, ohne dass (wie in Art. 43 Abs. 1 OG gegenüber der Berufung) die Rüge einer Verletzung verfassungsmässiger ![]() ![]() | |
Im vorliegenden Fall ist die staatsrechtliche Beschwerde freilich nicht als selbständige Ergänzung der unter der Überschrift der Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhobenen Rügen gedacht. Sie wird nur in eventuellem Sinn eingereicht, für den Fall nämlich, dass sich die Verwaltungsgerichtsbeschwerde als unzulässig erweisen sollte. Solch eventueller Geltendmachung eines subsidiären Rechtsmittels steht nichts entgegen (vgl. KIRCHHOFER, a.a.O., S. 74).
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a) Indem das OG in den Art. 97 ff. durchwegs von "Entscheiden" spricht, gibt es die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zwar nicht von vornherein nur zur Anfechtung von Endentscheiden. Vielmehr umfasst der Begriff des Entscheides an und für sich neben den Endentscheiden auch Vor- und Zwischenentscheide (vgl. die Ausdrucksweise der Art. 48-50, ferner Art. 87 OG); ja es können nicht nur Sach-, sondern auch prozessuale Entscheide bzw. prozessleitende Verfügungen als Entscheide im weitesten Sinn ![]() ![]() ![]() ![]() | |
b) Mit staatsrechtlicher Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV können Zwischenentscheide nur angefochten werden, "wenn sie für den Betroffenen einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil zur Folge haben" (Art. 87 OG). Die blosse Hinausschiebung der Sachentscheidung fällt an und für sich nicht als Nachteil im Sinne dieser Norm in Betracht (vgl. BIRCHMEIER, N. 4, d, zu Art. 87 OG). Besondere Eile ist nicht geboten angesichts der vom eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement in seiner Vernehmlassung dargelegten begrenzten Rechtswirkung der in Frage stehenden Registereinträge. Andere Nachteile sind aber, ![]() ![]() | |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
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