16. Auszug aus dem Urteil vom 3. Februar 1978 i.S. Amt für Administrativmassnahmen nach Strassenverkehrsgesetz des Kantons St. Gallen gegen Wegebauer und Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen | |
Regeste | |
Entzug des Motorfahrrad-Führerausweises/Fahrverbot; Ergänzung durch den Entzug des Motorfahrzeug-Führerausweises; Art. 37. Abs. 1 der V über die Zulassung von Personen und Fahrzeugen zum Strassenverkehr vom 27. Oktober 1976 (VZV).
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2. Art. 37 Abs. 1 VZV stellt es - abweichend von der früheren Regelung des BRB vom 27. August 1969 - in das pflichtgemässe Ermessen der Administrativbehörde, den Entzug des Führerausweises für Motorfahrräder oder das entsprechende Fahrverbot durch den Entzug eines allfälligen Motorfahrzeug-Führerausweises zu ergänzen (E. 3).
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3. Gesetzmässigkeit dieser Regelung (E. 4 und 5).
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Sachverhalt | |
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Das Amt für Administrativmassnahmen erhebt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, der Entscheid der Verwaltungsrekurskommission sei aufzuheben, soweit er den Entzug des Führerausweises betreffe. Die Herabsetzung der Dauer des Fahrverbots wird nicht beanstandet. ![]() | |
b) Die neue Verkehrszulassungsverordnung enthält in Art. 151 eine Reihe von Übergangsbestimmungen, welche in der Hauptsache die Abgabe neuer sowie die Weitergeltung alter Ausweise und Kontrollschilder betreffen. Für die hier interessierende Frage stellt sie keine Vorschrift auf, auch nicht in Art. 151 Abs. 8 VZV, wo bestimmt wird, dass die bisherigen Massnahmen und Strafen Anwendung finden, soweit nach den Übergangsbestimmungen der VZV bisherige Regelungen weitergelten. Auch das Strassenverkehrsgesetz selber enthält keine Übergangsbestimmung, auf welche abgestellt werden könnte. Ob der Vorfall vom Juni 1976 von der Verwaltungsrekurskommission nach altem oder nach neuem Recht zu beurteilen war, bestimmt sich deshalb aufgrund allgemeiner übergangsrechtlicher Grundsätze (BGE 99 Ib 153 E. 1; BGE 99 V 203; BGE 96 I 676).
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Führerausweisentzüge und Fahrverbote dienen der Sicherung des Verkehrs oder der Warnung des Betroffenen. Massnahmen der ersteren Art sind auszusprechen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für das Führen eines Fahrzeuges nicht mehr erfüllt sind. Kommt ein Sicherungsentzug oder ein entsprechendes Fahrverbot in Betracht, so hat die jeweilige Behörde deshalb auf das Recht abzustellen, das im Zeitpunkt ihres Entscheids (Entzugsverfügung oder Rechtsmittelentscheid) in Kraft steht. Der Warnungsentzug knüpft an einen bestimmten Vorfall (Verletzung von Verkehrsregeln und Gefährdung des Verkehrs, Fahren in angetrunkenem Zustand, usw.) an. Insoweit ist deshalb das Recht anzuwenden, ![]() ![]() | |
c) Die Vorschriften der neuen Verkehrszulassungsverordnung sind hinsichtlich der Ausdehnung des Fahrverbots auf den Entzug des Motorfahrzeug-Führerausweises milder als die Bestimmungen des Bundesratsbeschlusses, wie aus den nachfolgenden Erwägungen hervorgehen wird. Die Verwaltungsrekurskommission nahm deshalb zu Recht an, der vom Amt für Administrativmassnahmen verfügte Warnungsentzug sei anhand des neuen Rechts zu überprüfen.
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"Wird ein Fahrverbot verfügt, so ist damit auch stets der Entzug eines allfälligen Führerausweises und das Verbot zum Führen aller Fahrzeugkategorien zu verbinden."
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In der Verkehrszulassungsverordnung wurde für Motorfahrräder neu ein Führerausweis eingeführt (Art. 27 VZV), den jedoch nicht benötigt, wer den Führerausweis nach irgendeiner der in Art. 3 VZV aufgezählten Motorfahrzeugkategorien besitzt. Ebenso benötigt bis Ende 1979 keinen solchen Ausweis, wer das 14. Altersjahr vor dem 1. Juli 1977 vollendet hat (Art. 151 Abs. 2 VZV). Die neue Verordnung enthält im Abschnitt betreffend "Massnahmen gegenüber Fahrzeugführern" unterschiedliche Bestimmungen in bezug auf den Führerausweisentzug (Ziff. 131) und den Entzug des Führerausweises für Motorfahrräder sowie das Fahrverbot (Ziff. 132). Art. 34 VZV bestimmt für den Führerausweisentzug: ![]() | |
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2 In Härtefällen kann - unter Einhaltung der gesetzlichen Minimaldauer für alle Kategorien - der Führerausweis für verschiedene Ausweiskategorien von unterschiedlicher Dauer verfügt werden. Dies ist namentlich zulässig, wenn der Ausweisinhaber die Widerhandlung, die zum Entzug führte, mit einem Fahrzeug begangen hat, auf dessen Benützung er beruflich nicht angewiesen ist, und wenn der Betroffene als Führer der Kategorie, für die die Entzugsdauer verkürzt werden soll, unbescholten ist."
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Art. 37 Abs. 1 VZV bestimmt für den Entzug des Führerausweises für Motorfahrräder und das Fahrverbot:
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"Der Entzug des Führerausweises für Motorfahrräder und das Fahrverbot gelten nur für die Fahrzeugarten, für die sie in der Verfügung angeordnet sind."
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b) Aus dieser Gegenüberstellung der Vorschriften des Bundesratsbeschlusses und der Verkehrszulassungsverordnung geht hervor, dass sich im neuen Recht keine dem alten Art. 28 Abs. 1 BRB entsprechende Bestimmung mehr findet, welche ausdrücklich vorschreibt, dass das Fahrverbot stets durch den Entzug eines allfälligen Führerausweises zu ergänzen sei. Eine solche Anordnung kann den neuen Vorschriften auch nicht sinngemäss entnommen werden. Es kann auf der andern Seite aber auch nicht gesagt werden, die Ergänzung des Führerausweisentzugs für Motorfahrräder oder des Fahrverbots durch den Entzug eines allfälligen Motorfahrzeug-Führerausweises finde in der Verordnung überhaupt keine Grundlage mehr. Wenn Art. 37 Abs. 1 VZV bestimmt, dass der Entzug des Führerausweises für Motorfahrräder und das Fahrverbot nur für diejenigen Fahrzeugarten gelten, für die sie in der Verfügung angeordnet sind, so ist das in dem Sinne zu verstehen, dass die Ausdehnung der Massnahme im Gegensatz zur alten Regelung nicht mehr obligatorisch vorgeschrieben, sondern dem pflichtgemässen Ermessen der verfügenden Behörde anheimgestellt ist. Dies geht auch aus einem bei den kantonalen Akten liegenden Schreiben der eidg. Polizeiabteilung hervor, in welchem ausgeführt wird, Art. 28 Abs. 1 BRB sei mit ![]() ![]() | |
Die Verwaltungsrekurskommission erhebt gegen diese Betrachtungsweise verschiedene Einwendungen. Sie macht vorerst geltend, Art. 16 SVG setze für den Entzug des Motorfahrzeug-Führerausweises, soweit es sich um einen Warnungsentzug handle, voraus, dass der zur Massnahme Anlass gebende Tatbestand mit einem Motorfahrzeug, für das ein Führerausweis benötigt werde, gesetzt worden sei. Motorfahrräder seien trotz des neu eingeführten Führerausweises den Fahrrädern nach wie vor weitgehend gleichgestellt. Ein Vorfall, der sich beim Führen eines Motorfahrrades ereignet habe, könne deshalb nicht den Entzug des Motorfahrzeug-Führerausweises nach Art. 16 Abs. 2 oder 3 SVG zur Folge haben. Mit Hinblick auf die sachliche Rechtfertigung der Ausdehnung macht die Verwaltungsrekurskommission geltend, für den Sicherungsentzug treffe es durchaus zu, dass nicht zum Verkehr mit Fahrzeugen von hoher Betriebsgefahr zugelassen werden könne, wer den Verkehr schon mit leichten und langsamen Fahrzeugen gefährde. Für den Warnungsentzug gelte diese Überlegung indes nicht in gleicher allgemeiner Weise. So ![]() ![]() | |
5. a) Voraussetzung für einen Entzug des Führerausweises nach Art. 16 Abs. 2 und 3 SVG ist, wie die Verwaltungsrekurskommission zutreffend ausführt, dass der Tatbestand, der zur Massnahme Anlass gibt, mit einem Motorfahrzeug gesetzt wurde. Zwar ist nur in Art. 16 Abs. 3 lit. d und f ausdrücklich von einem Motorfahrzeug die Rede, doch muss die erwähnte Voraussetzung für sämtliche der in Art. 16 Abs. 2 und 3 genannten Entzugsgründe gelten. Dieser Grundsatz wurde schon in der Praxis der Bundesbehörden zum Motorfahrzeuggesetz von 1932 befolgt (vgl. VEB 1959, Nr. 72) und wurde in der Rechtsprechung zum Strassenverkehrsgesetz unverändert beibehalten (vgl. VPB 1968-69, Nr. 68). Das will jedoch nicht heissen, dass der Entzug des Motorfahrzeug-Führerausweises wegen eines Vorfalls, der sich beim Führen eines Motorfahrrades ereignete, im Widerspruch zu Art. 16 SVG stehe. Motorfahrräder sind durchaus Motorfahrzeuge im Sinne der gesetzlichen Ordnung, wie sich aus der Legaldefinition von Art. 7 Abs. 1 SVG ergibt. Wenn sie im Verordnungsrecht weitgehend wie motorlose Fahrzeuge behandelt und den Fahrrädern gleichgestellt werden, so geschieht das nicht deshalb, weil ihnen die Eigenschaft von Motorfahrzeugen fehlen würde; Grund dafür ist vielmehr, dass Art. 25 Abs. 1 lit. a SVG den Bundesrat ermächtigt, "Fahrräder mit Hilfsmotor, Motorhandwagen und andere Fahrzeuge von geringer Motorkraft oder Geschwindigkeit oder solche, die selten auf öffentlichen Strassen verwendet werden" ganz oder teilweise von den Bestimmungen des II. Titels des SVG auszunehmen und nötigenfalls ergänzende Vorschriften für sie aufzustellen (BGE 102 Ib 189 E. 2 a ist deshalb ungenau, wenn als Grundlage für das Verbot, ein Motorfahrrad zu führen, Art. 19 SVG genannt wird). Bei dieser Sachlage steht nicht im ![]() ![]() | |
b) Art. 16 Abs. 2 und 3 SVG spricht nur vom Entzug "des Führer- und Lernfahrausweises" und enthält keine Bestimmungen darüber, ob aufgrund eines Vorfalls, der sich beim Führen eines Motorfahrzeuges einer bestimmten Kategorie ereignete, stets der Führerausweis für sämtliche Motorfahrzeugkategorien zu entziehen sei, oder ob auch der Entzug für einzelne Kategorien in Frage komme. Der Bundesrat regelte die Frage in Art. 34 VZV in dem Sinne, dass der Entzug des Führerausweises für eine der in Art. 3 VZV aufgezählten Motorfahrzeugkategorien A bis G stets den Entzug des Führerausweises für alle Kategorien zur Folge hat, unter Vorbehalt bestimmter Ausnahmen, die ebenfalls in Art. 34 VZV vorgesehen sind. Demgegenüber gelten der Entzug des Motorfahrrad-Führerausweises und das Fahrverbot nach Art. 37 Abs. 1 VZV nur für diejenigen Fahrzeugarten, für welche die Massnahme in der Entzugsverfügung angeordnet wird. Insoweit überlässt es die Verordnung, wie bereits ausgeführt, dem pflichtgemässen Ermessen der Behörde, den Umfang der Massnahme zu bestimmen. Diese Regelung, die der Bundesrat aufgrund seiner Vollzugskompetenz (Art. 106 SVG) sowie der in Art. 25 Abs. 1 lit. a SVG enthaltenen Ermächtigung treffen konnte, überschreitet den vom Gesetz bestimmten Rahmen nicht. Sie kann auch nicht als unverhältnismässig bezeichnet werden. Ob die gegenüber einer obligatorischen Ausdehnung geäusserte Kritik in dieser Hinsicht begründet wäre, kann in Anbetracht der neuen Regelung dahingestellt bleiben.
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c) Bei dieser Sachlage ist der angefochtene Entscheid aufzuheben, soweit er den Entzug des Führerausweises betrifft, und die Sache ist in diesem Umfang zu neuer Beurteilung an die Verwaltungsrekurskommission zurückzuweisen. Diese hat zu prüfen, ob unter Berücksichtigung der Art und Schwere der Verfehlung Wegebauers und der weiteren Umstände des Falles ![]() ![]() | |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
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