55. Auszug aus dem Urteil vom 13. Juli 1977 i.S. N. gegen Kantonale Rekurskommission Bern | |
Regeste | |
Wehrsteuer: Änderung des Einkommens in der Berechnungsperiode, Art. 42 und 41 Abs. 4 WStB.
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Gegenwartsbesteuerung: Festsetzung des Zeitraumes zur Bemessung des steuerbaren Einkommens, Überprüfung der getroffenen Wahl auf ihre Sachgerechtigkeit (Erw. 2); Gleichheitsgebot und Erfordernis der Sachgerechtigkeit (Erw. 3); Bemessung der von der Veränderung betroffenen Einkommensbestandteile (Erw. 4).
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Sachverhalt | |
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Die Veranlagungsbehörde änderte die Selbstveranlagung ab: Einmal zählte sie zum steuerpflichtigen Einkommen des ersten Geschäftsjahres dasjenige des zweiten in der Höhe von Fr. 62'731.-- hinzu, ferner den von N. erzielten Arbeitsverdienst im zweiten Geschäftsjahr und schliesslich rechnete sie ein Nebeneinkommen hinzu, das N. bis zum 9. Mai 1969 als Parkwächter bei einer Bank erzielt hatte. Einen anbegehrten Abzug von Fr. 700.-- für die Tätigkeit im Geschäft der Ehefrau lehnte sie ab. Damit ergab sich, wiederum nach Vornahme der Abzüge, ein auf ein Jahr umgerechnetes wehrsteuerpflichtiges Einkommen für die 16. Periode von Fr. 64'200.--. N. erhob gegen die Einschätzung Einsprache und rekurrierte, als diese abgewiesen worden war, an die Kantonale Rekurskommission. Diese bestätigte den Einspracheentscheid. Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde verlangt N., der Entscheid der Kantonalen Rekurskommission sei aufzuheben und das Einkommen pro 1971/72 gemäss seiner Selbsttaxation festzusetzen. Er wirft den kantonalen Behörden im wesentlichen unrichtige Anwendung der Art. 41 Abs. 4 und 42 WStB sowie rechtsungleiche Behandlung vor.
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Das Bundesgericht heisst die Beschwerde bezüglich der Bemessung der von der Veränderung betroffenen Einkommensbestandteile gut, im übrigen weist es sie ab.
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1. a) Bei der Wehrsteuer wird das steuerbare Einkommen im allgemeinen nach den Einkünften bemessen, die der Steuerpflichtige in der Berechnungsperiode, d.h. in den beiden Jahren, ![]() ![]() | |
Ein Berufswechsel im Sinne von Art. 42 WStB liegt vor, wenn ein Steuerpflichtiger von einer selbständigen Erwerbstätigkeit zu einer unselbständigen übergeht oder umgekehrt, da in der Art der bisherigen Erwerbstätigkeit eine grundlegende Änderung eintritt (KÄNZIG, N. 6 zu Art. 42 WStB).
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Der Beschwerdeführer ist am 1. Oktober 1970, d.h. im zweiten Jahr der Berechnungsperiode, von der selbständigen Tätigkeit als Marktfahrer zu einer unselbständigen Tätigkeit im Geschäftsbetrieb seiner Ehefrau übergegangen. Seine unselbständige Tätigkeit als Parkwächter hatte er bereits 1969 aufgegeben, d.h. im ersten Jahr der Berechnungsperiode. Seine Ehefrau hat während der Dauer der Berechnungsperiode, genauer im zweiten Jahr derselben, anstelle der bisherigen unselbständigen Tätigkeit beim Vertrieb der "Tupperware"-Artikel eine selbständige Erwerbstätigkeit als Regionalvertreterin der "Tupperware"-Haushaltartikel übernommen.
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Sowohl beim Beschwerdeführer als auch bei seiner Ehefrau hat demnach ein Berufswechsel während des zweiten Jahres der Berechnungsperiode stattgefunden; die Steuer ist daher nicht nach der Regel von Art. 41 Abs. 1 WStB zu berechnen, sondern nach Massgabe von Art. 41 Abs. 4. Sie ist auf der Grundlage des nach Eintritt des Berufswechsels erzielten, auf ein Jahr umgerechneten Einkommens, zu ermitteln. Anstelle des nach den Ergebnissen der beiden Vorjahre ermittelten jährlichen ![]() ![]() | |
b) Verschiedentlich lässt der Beschwerdeführer durchblicken, die Ehefrau habe die selbständige Erwerbstätigkeit schon im Jahre 1968 aufgenommen, so dass es fraglich sei, ob überhaupt der Übergang zur Gegenwartsbesteuerung im Sinne von Art. 41 WStB zulässig sei. Dem steht entgegen, dass der Beschwerdeführer durch die Art und Weise seiner Selbsteinschätzung die Auffassung nahelegte, die Ehefrau habe die selbständige Erwerbstätigkeit erst im Oktober 1970 aufgenommen und dass er auch sein Rechtsbegehren in diesem Sinne stellte. Wohl war Frau N. schon vorher am Verkauf von "Tupperware"-Haushaltartikeln beteiligt, offensichtlich aber in unselbständiger Stellung, erhielt sie doch als Entgelt ein Fixum und eine nach Umsatz berechnete Kommission. Die Vorinstanz hat daher zu Recht angenommen, die Ehefrau des Beschwerdeführers habe den Beruf im Sinne von Art. 42 WStB in der Berechnungsperiode gewechselt.
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Ist die Änderung der Verhältnisse noch in der Berechnungsperiode eingetreten und ist der Rest der Berechnungsperiode verhältnismässig kurz, erlaubt die auf Sachgerechtigkeit zielende elastische Fassung des Art. 41 Abs. 4 WStB, nicht nur auf ![]() ![]() | |
Erscheinen die durch die Veränderung geschaffenen neuen Verhältnisse als gleichbleibend, bietet die Wahl des Bemessungszeitraumes und die Umrechnung des darin erzielten Ertrages auf ein Jahr kaum Probleme. Sind die neuen Verhältnisse aber veränderlich - wie dies vielfach bei Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit der Fall ist -, darf die Umrechnung nicht aufgrund eines allzu kurzen Zeitraumes erfolgen, namentlich wenn das Einkommen zunächst als anormal zu betrachten ist;, dann ist der Bemessungszeitraum so weit auszudehnen, dass das Ergebnis den wirklichen Verhältnissen des Steuerpflichtigen möglichst entspricht (ASA 25, 443). So hat es das Bundesgericht in besondern Fällen als sachgerecht bezeichnet, wenn ausser dem Ergebnis des ersten Geschäftsjahres auch dasjenige des zweiten Jahres in die Berechnungsperiode einbezogen wurde (BGE 80 I 271 E. 4). Von der Berechnung auszunehmen sind in einem solchen Fall ausserordentliche einmalige Einkommensbestandteile (ASA 45, 262).
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b) Bei der Ermittlung des den besondern Verhältnissen des Einzelfalles gerecht werdenden Berechnungszeitraumes haben die Steuerbehörden, allenfalls unter Beizug von Erfahrungswerten, eine Prognose über den Einkommensverlauf beim Steuerpflichtigen anzustellen; sie verfügen dabei über einen grossen Beurteilungsspielraum. Der Richter, der die getroffene Wahl auf ihre Sachgerechtigkeit zu überprüfen hat, tut dies - ähnlich wie bei der Überprüfung von Schätzungen (ASA 40, 269) - mit Zurückhaltung.
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In diesem Sinne kann sich die Wahl einer längeren Periode rechtfertigen, wenn aufgrund der Umstände anzunehmen ist, dass das Ergebnis des ersten Geschäftsjahres die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nicht richtig wiedergibt. Es ist Erfahrungstatsache, dass ein neu aufgebautes Geschäft in der Regel zuerst einer gewissen Anlaufzeit bedarf, bis es die volle Ertragskraft erreicht, die für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen charakteristisch ist. Ob das zutrifft, hängt ![]() ![]() | |
Im Lichte der Sachgerechtigkeit betrachtet verletzt demnach das Abstellen auf den Ertrag der beiden Geschäftsjahre im vorliegenden Fall Bundesrecht nicht. Es ist auch nicht systemwidrig, weil die Wahl einer zweijährigen Berechnungsperiode nach Art. 41 Abs. 1 WStB die Regel bildet.
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Das Gleichheitsgebot verlangt von den Steuerbehörden, die einen von der ordentlichen Veranlagung abweichenden Berechnungszeitraum zu ermitteln haben, dass sie - trotz dem Bestreben, dem Einzelfall möglichst sachlich gerecht zu werden - darnach trachten, unter allen Steuerpflichtigen, die einen Berufswechsel vornehmen, die Rechtsgleichheit zu wahren ![]() ![]() | |
Die bernischen Steuerbehörden geben zu, dass in Einzelfällen eine rechtsungleiche Behandlung verschiedener Steuerpflichtiger bei der Wahl der Berechnungsperiode vorgekommen ist. Sie sind aber entschlossen, sie nach Möglichkeit zu verhindern. Aus den Akten des hängigen staatsrechtlichen Beschwerdeverfahrens betreffend die Staatssteuer 1971/1972 wird zudem klar ersichtlich, dass das Abstellen auf zwei Geschäftsabschlüsse im Falle des Beschwerdeführers nach der Praxis der kantonalen Steuerbehörden keineswegs einzigartig dasteht. Im Verfahren vor dem kantonalen Verwaltungsgericht hat nämlich die kantonale Steuerverwaltung eine Zusammenstellung der Veranlagungsbehörde beigelegt, in der zwölf Beispiele von Zwischenveranlagungen zufolge Wechsels von der unselbständigen zur selbständigen Erwerbstätigkeit aufgeführt sind. In zehn Fällen wurden zwei und in zwei Fällen drei Geschäftsabschlüsse der Veranlagung zugrundegelegt, was sich in zwei Fällen zugunsten des Steuerpflichtigen auswirkte. Die kantonale Steuerverwaltung führte auch an, dass sich die Zahl der Beispiele von Zwischenveranlagungen mit einer zwei Jahre umfassenden ![]() ![]() | |
b) (Begründung, weshalb aufgrund der zum Vergleich herangezogenen Fälle kein Anlass für die Annahme besteht, es liege eine bewusst oder unbewusst gewollte Ungleichbehandlung des Beschwerdeführers vor.)
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c) Der Beschwerdeführer beantragt darüber hinaus, es seien die Steuerakten von mehr als hundert Geschäftsleuten zu untersuchen, um festzustellen, ob bei ihrer erstmaligen Besteuerung als Selbständigerwerbende auch das Ergebnis des zweiten Geschäftsjahres einbezogen worden sei.
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Die Rekurskommission hat - wie bereits erwähnt - sowohl im staatsrechtlichen als auch im vorliegenden verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren überzeugend dargelegt, dass zwar vereinzelt Fehleinschätzungen vorgekommen sind, dass sich die Steuerbehörden aber um eine sachgerechte und rechtsgleiche Praxis bemühen und dass der Einbezug des zweiten Geschäftsjahres in die Steuerberechnung im Falle des Beschwerdeführers keineswegs eine Ausnahme darstellt. Nachdem sich die Einschätzung des Beschwerdeführers dem Gesetzeszweck nach als sach- und systemgerecht erweist, ist dem Beweisantrag bereits aus diesen Gründen nicht zu entsprechen. Dem Beweisbegehren ist aber auch deshalb nicht stattzugeben, weil es zu wenig bestimmt ist; eine derart pauschale Angabe eines Beweisthemas genügt im verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren nicht. Dass ihm die Vorinstanz im Rekursverfahren nicht entsprach, stellt keine Verletzung des rechtlichen Gehörs dar, da der Beschwerdeführer in diesem Verfahren keinen förmlichen Beweisantrag gestellt hat und für die Rekurskommission keine Verpflichtung bestand, von Amtes wegen diese mit einem grossen und kaum zu rechtfertigenden Verwaltungsaufwand verbundene Untersuchung durchzuführen.
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Das Abstellen auf den Ertrag der zwei in Frage stehenden Geschäftsperioden hält daher im vorliegenden Fall auch vor dem Gebot rechtsgleicher Behandlung stand.
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Das vom Zwischentaxationsgrund im Falle des Beschwerdeführers betroffene Einkommen ist das Erwerbseinkommen. Die Gegenwartsbesteuerung bedeutet für ihn, dass die Einkünfte aus den früheren Erwerbseinkommensquellen, d.h. sowohl aus der selbständigen als auch aus der unselbständigen Erwerbstätigkeit ausscheiden, und dass an deren Stelle die aus der neuen Erwerbseinkommensquelle fliessenden Einkünfte treten. Das vom Beschwerdeführer 1969 als Parkwächter bezogene Einkommen wurde demnach zu Unrecht in die Gegenwartsbesteuerung einbezogen. In diesem Punkte ist daher die Beschwerde begründet. ![]() |