53. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 9. Dezember 1988 i.S. Electra Massa und 21 Mitbeteiligte gegen Kanton Wallis (staatsrechtliche Beschwerde) | |
Regeste | |
Allgemeine Grundsätze rechtsgleicher Steuergesetzgebung (Art. 4 Abs. 1 BV); Verletzung durch unterschiedlichen Satz einer Liegenschaften- Objektsteuer.
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Sachverhalt | |
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b) Zwar ist der Steuersatz im Steuergesetz für alle Grundstücke gleich festgesetzt. Die Belastung wird dennoch nach der Art der Grundstücknutzung abgestuft. Dies geschieht durch eine Differenzierung des im Gesetz nicht bestimmten (vgl. Art. 55 und 220 StG) Steuerwerts als Bemessungsgrundlage im Reglement vom 6. Februar 1975 über die Katastertaxen (KTR). Der Steuerwert beträgt für landwirtschaftliche Grundstücke 15%, für Wohn- und Renditehäuser sowie für nichtlandwirtschaftliche Grundstücke 75% und für industrielle Anlagen 80% des Katasterwertes (Art. 7, 11, 12 und 13 Abs. 2 KTR). Bei Wasserkraftanlagen beläuft sich der Steuerwert (wie für industrielle Anlagen) auf 80% des Katasterwertes (vgl. Art. 13 Abs. 3, 15 KTR). Der Katasterwert ergibt sich aus dem Verkehrswert unter angemessener Berücksichtigung des Ertragswertes (Art. 4 KTR).
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c) Mit der Revision der Art. 101 und 181 Abs. 1 StG wurde für juristische Personen erstmals eine Differenzierung im Steuersatz nach subjektiven Kriterien eingeführt: für die Anwendung des höheren Steuersatzes ist ausschliesslich entscheidend, ob die steuerpflichtige juristische Person eine Wasserkraftwerkgesellschaft ist oder nicht. Die Wasserkraftwerkgesellschaften haben insgesamt 3%o, die übrigen juristischen Personen insgesamt 2,25%o ![]() ![]() | |
Die Beschwerdeführerinnen rügen, die Steuersatzdifferenzierung sei willkürlich und verletze die Rechtsgleichheit (Art. 4 Abs. 1 BV).
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b) Das Gebot der Rechtsgleichheit (Art. 4 Abs. 1 BV) wird in bezug auf die Steuern konkretisiert durch die Grundsätze der Allgemeinheit und Gleichmässigkeit der Besteuerung sowie den Grundsatz der Verhältnismässigkeit der Steuerbelastung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (BGE 112 Ia 244 E. 4b; BGE 110 Ia 14 E. 2b, mit Hinweisen). Nach dem Prinzip der Allgemeinheit der Besteuerung ist eine sachlich unbegründete Ausnahme einzelner Personen oder Personengruppen von der Besteuerung unzulässig, da der Finanzaufwand des Gemeinwesens für die allgemeinen öffentlichen Aufgaben grundsätzlich von der Gesamtheit der Bürger getragen werden soll. Nach den Grundsätzen der Gleichmässigkeit der Besteuerung und der Verhältnismässigkeit der Belastung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sind Steuerpflichtige bei gleichen wirtschaftlichen Verhältnissen gleich zu besteuern; verschiedenen tatsächlichen Verhältnissen, die sich auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit auswirken, ist durch eine unterschiedliche Steuerbelastung Rechnung zu tragen (BGE 112 Ia 244 E. 4b, mit Hinweisen).
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Ob ein Steuergesetz den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt, kann nicht aufgrund formaler Kriterien entschieden werden, sondern fällt letztlich mit der Frage zusammen, ob das Gesetz gerecht sei; Gerechtigkeit ist aber ein relativer Begriff, der sich mit ![]() ![]() | |
Die Beschwerdeführerinnen machen zur Hauptsache geltend, die Liegenschaften von Wasserkraftwerkgesellschaften dürften nicht höher als die übrigen industriellen Anlagen belastet werden. Für die unterschiedliche Behandlung lasse sich keine sachliche und logische Begründung finden. Die Beschwerdeführerinnen fügen bei, die erhöhte Grundstücksteuer sei eine Art Gewinnsteuer, die lediglich auf Wasserkraftwerkgesellschaften ziele.
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b) Für den Staatsrat ist die höhere Belastung der Liegenschaften von Wasserkraftwerkgesellschaften insofern sachlich gerechtfertigt, als die Nutzung des Grundeigentums für Wasserkraftwerkgesellschaften eine besondere Bedeutung habe und ihre Anlagen deshalb einen besonderen wirtschaftlichen Wert aufwiesen, der gegenüber den Grundstücken anderer juristischer Personen höher einzuschätzen sei. Grundstücke, die der Produktion und dem Transport elektrischer Energie aus Wasserkraft dienten, wiesen einen wesentlich höheren Nutzwert auf als übliche Baugrundstücke.
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c) Die vom Staatsrat weitgehend pauschal vorgetragene Begründung hält einer ernsthaften Prüfung nicht stand. In Unternehmungen, ![]() ![]() | |
Diese Umstände vermögen den höheren Objektsteuersatz für Wasserkraftwerkgesellschaften jedoch nicht zu rechtfertigen. Sie führen im Gegenteil bereits bei gleichem Steuersatz zu einer erhöhten Belastung der Wasserkraftwerkgesellschaften verglichen mit der Grundstücksteuerbelastung anderer Gesellschaften. Der Ertragskraft wird über die Gewinnsteuer Rechnung getragen, auch wenn die Erträge zur Hauptsache auf dem Grundeigentum beruhen. Die aus dem Grundeigentum und den unbeweglichen Anlagen fliessenden Erträge kommen zudem bereits im Ertragswert, der bei der Festsetzung des Kataster- und Steuerwertes berücksichtigt wird, zum Ausdruck. Auch die getätigten Anlageinvestitionen werden bei der Katasterschatzung berücksichtigt und damit von der Grundstücksteuer erfasst.
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d) Der Staatsrat macht weiter geltend, ein höherer Grundstücksteuersatz für Wasserkraftwerkgesellschaften sei gerechtfertigt, weil diese Gesellschaften nur geringe Gewinne auswiesen und deshalb eine angemessene Ertragsbesteuerung ausgeschlossen sei. Die Grundstücksteuer rücke damit für Wasserkraftwerkgesellschaften in die Nähe einer Minimalsteuer auf Grundstücken.
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Die Energie aus Wasserkraft ist zwar als Folge der gestiegenen Nachfrage vor allem nach Winter- und Spitzenergie, der Entwicklung der Energiepreise und der vergleichsweise günstigen Produktionsbedingungen der Wasserkraftwerke in den letzten Jahren allgemein aufgewertet worden. Soweit sich daraus eine erhöhte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Wasserkraftwerkgesellschaften ergibt, muss sich diese nicht anders als bei anderen besonders ertragskräftigen Unternehmungen über die Gewinnsteuer erfassen lassen. Der Staatsrat macht allerdings geltend, dass dies ![]() ![]() | |
Die hier umstrittene Steuer ist keine Minimalsteuer auf den Grundstücken der Wasserkraftgesellschaften. Es braucht daher auch nicht weiter erörtert zu werden, ob eine Liegenschaftenminimalsteuer an sich geeignet ist, die Ertragskraft wirtschaftlicher Unternehmungen von der Art der Beschwerdeführerinnen zu erfassen.
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e) Der Staatsrat begründet die Erhöhung des Grundstücksteuersatzes sodann damit, dass der unzulängliche Ertragsausweis der Wasserkraftwerkgesellschaften zu ungenügenden Ertragswerten ihrer Liegenschaften führe. Dass und weshalb der "Nutzwert" der Wasserkraftwerkliegenschaften im Katasterwert nicht genügend zum Ausdruck komme, vermag er nicht überzeugend darzulegen. Bei der Katasterschatzung wird neben dem Verkehrs- oder dem Realwert auch der Ertragswert der Liegenschaften angemessen berücksichtigt (Art. 4 KTR). Dieser wird bei den Liegenschaften der Wasserkraftwerkgesellschaften nach den eingereichten Unterlagen völlig unabhängig von den buchmässig - nach Ansicht des Staatsrates zu tief - ausgewiesenen Gewinnen bestimmt. Er bemisst sich nach dem Wert der kapitalisierten mittleren Jahresenergieproduktion, der aufgrund von generellen, von der kantonalen Kommission für die Katasterschatzungen festgelegten Soll-Preisen pro Kilowattstunde (zwischen 3 und 7,5 Rappen) bestimmt wird. Eine Prüfung der Unterlagen ergibt, dass die Anwendung der für die Festsetzung der Katasterschatzung massgebenden Kriterien nicht (und erst recht nicht notwendigerweise) zu einer Unterbewertung der Wasserkraftwerkliegenschaften führt. Da aus den im ![]() ![]() | |
f) Es ist nach dem Ausgeführten nicht einzusehen, weshalb die Liegenschaften von Wasserkraftwerkgesellschaften einen höheren wirtschaftlichen "Nutzwert" als die Liegenschaften anderer juristischer Personen aufweisen sollen, der im Steuerwert nicht zum Ausdruck kommt. Die Katasterschatzung erfolgt nach den vom Staatsrat selbst erlassenen Richtlinien. Er macht nicht geltend, sachgemässe Katasterschatzungen der Liegenschaften und unbeweglichen Anlagen von Wasserkraftwerkgesellschaften seien aus bestimmten Gründen nicht möglich. Mit den bisher behandelten Argumenten kann der ausschliesslich für die Wasserkraftwerkgesellschaften erhöhte Grundstücksteuersatz demnach nicht gerechtfertigt werden.
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b) Die auf den Grundstücken erhobene Objektsteuer ohne Schuldenabzug findet ihre innere Rechtfertigung in besonderen Aufwendungen des Gemeinwesens zum Nutzen des Grundeigentums und im besonderen Nutzen, den die Grundeigentümer anders als die Eigentümer anderer Vermögenswerte aus diesen besonderen und auch allgemeinen Leistungen des Gemeinwesens ziehen. Eine solche Steuer kannten im Jahre 1987 zwölf Kantone und ein Halbkanton, wobei sie zumeist nur von den Gemeinden erhoben wurde.
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c) Die Grundstücksteuer wird in den meisten Kantonen auf dem amtlichen Wert berechnet. Es kommen ausschliesslich feste Steuersätze zur Anwendung. Diese betrugen in den verschieden Kantonen 1987 zwischen 0,2 und 3%o. Es ist mit der Rechtsgleichheit allerdings auch vereinbar, die Belastung mit der Grundstücksteuer nach dem besonderen Nutzen, den die Grundstücke aus den staatlichen Aufwendungen ziehen können, angemessen abzustufen, da diese Steuer gerade mit diesem Nutzen gerechtfertigt wird. Die sich aus dem KTR ergebende differenzierte Belastung von landwirtschaftlichen Grundstücken, von nicht-landwirtschaftlichen Grundstücken sowie von Wohn- und Renditehäusern und ![]() ![]() | |
d) Der Staatsrat behauptet zwar, dass dem Kanton und den Gemeinden für die Wasserkraftwerkanlagen besondere oder verhältnismässig höhere Aufwendungen erwachsen. Er nennt dafür den staatlichen Infrastrukturaufwand (Strassen usw.), das Gefahrenpotential und die Umweltbelastung der Wasserkraftwerke und der Stromleitungen. Der Staatsrat ist jedoch nicht in der Lage, über die angebliche dadurch bewirkte Belastung der Gemeinwesen Konkretes vorzubringen und sie mit Zahlen zu belegen. Die Beschwerdeführerinnen bestreiten, dass solche besondere und verhältnismässig höhere Aufwendungen zugunsten der Eigentümer von Wasserkraftwerkanlagen überhaupt erbracht werden. Sie machen im Gegenteil geltend, dass sie dem Gemeinwesen obliegende Erschliessungsaufgaben im Zusammenhang mit dem Bau und Betrieb ihrer Anlagen selber übernahmen oder mitfinanzierten (Strassen, regionale und örtliche Stromversorgungen, Abwasserreinigungsanlagen, touristische Erschliessungen). Der Staatsrat bestreitet dies in seiner Duplik nur pauschal und ausweichend.
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Im Lichte des vom Staatsrat Ausgeführten kann nicht angenommen werden, dass im Verhältnis zum Steuerwert ihrer Liegenschaften dem Gemeinwesen für Wasserkraftwerkgesellschaften besonders hohe und insbesondere höhere Aufwendungen als für die übrigen Gesellschaften mit industriellen Anlagen erwachsen.
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e) Der Staatsrat macht nicht ausdrücklich geltend, dass die Wasserkraftwerkgesellschaften vom allgemeinen Aufwand des Staates für das Grundeigentum besonders grossen Nutzen ziehen. Man könnte dies aus allgemeinen Überlegungen (wie sie etwa in BGE 38 I 374 f. angestellt wurden) zwar in Betracht ziehen, um einen differenzierten Grundstücksteuersatz zu rechtfertigen. Doch lässt sich ein besonderer Nutzen, der nicht im Verhältnis zum Steuerwert der Anlagen von Wasserkraftwerkgesellschaften stünde, ![]() ![]() | |
Seine Ausführungen wecken für die Situation eines Gebirgskantons Verständnis und sind einfühlbar. Sie vermögen den um einen Drittel höheren Steuersatz der Grundstückobjektsteuer von Wasserkraftwerkgesellschaften, verglichen mit dem Satz für jedes andere unbewegliche Eigentum und namentlich industrielle Anlagen anderer Art, aber nicht sachlich zu begründen. Da vernünftige Gründe dafür nicht dargetan sind und auch nicht auf der Hand liegen, verletzt der erhöhte Steuersatz Art. 4 BV.
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6. a) Die Rüge rechtsungleicher Behandlung erweist sich damit als begründet. Ob mit dem für Wasserkraftwerkgesellschaften höheren Steuersatz auch gegen Art. 2 ÜbBest BV/Art. 49 Abs. 3 des BG vom 22. Dezember 1916 über die Nutzbarmachung der Wasserkräfte (WRG; SR 721.80) verstossen wird, braucht nicht geprüft zu werden. ![]() |