46. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 2. Mai 1980 i.S. Baukonsortium Giessen und Mitbeteiligte gegen Gemeinde Andermatt und Regierungsrat des Kantons Uri (staatsrechtliche Beschwerde) | |
Regeste | |
Art. 4 BV; Kanalisationsanschlussgebühr.
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2. Es verstösst nicht gegen Art. 4 BV, für Neubauten höhere Kanalisationsanschlussgebühren vorzusehen als für Altbauten (E. 4a-c).
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3. Inwieweit darf bei der Bemessung der Kanalisationsanschlussgebühren auf den steueramtlichen Liegenschaftsschatzungswert abgestellt werden (E. 4d)?
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Sachverhalt | |
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Das Baukonsortium Giessen, Meinrad Camenzind und Anton Zgraggen erheben staatsrechtliche Beschwerde mit dem Antrag, der Entscheid des Regierungsrates des Kantons Uri sei aufzuheben. Gerügt wird eine Verletzung von Art. 4 BV, unter anderem mit der Begründung, für Neubauten würden doppelt so hohe Kanalisationsanschlussgebühren erhoben wie für Altbauten. Das verstosse gegen die Rechtsgleichheit, was umso mehr gelte, als Grundlage für die Gebührenbemessung der steueramtliche Schatzungswert sei, der bei Altbauten zumeist nicht den wahren Verhältnissen entspreche.
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3. b) Die Kanalisationsanschlussgebühr ist die einmalige Gegenleistung des Grundeigentümers dafür, dass er das Recht erhält, die Kanalisation für die Ableitung des Abwassers zu benutzen. Die Anschlussgebühr ist geschuldet, wenn der Anschluss an die Kanalisation erfolgt und deren Benutzung möglich ist. Der Nachweis der tatsächlichen Benutzung des Anschlusses durch den Grundeigentümer ist dagegen nicht erforderlich. Zur Deckung des Aufwandes für die Erstellung von Abwasserableitungs- und Reinigungsanlagen kann der kantonale oder kommunale Gesetzgeber auch die Erhebung von Kanalisationsbeiträgen (Vorzugslasten) vorsehen. Diese werden im Gegensatz zu den Gebühren bereits dann erhoben, wenn der betroffene Grundeigentümer die blosse Möglichkeit des Anschlusses an die Kanalisation besitzt. Ist die Anschlussmöglichkeit gegeben, so sind die entsprechenden Beiträge geschuldet, selbst wenn der Anschluss selber nicht erfolgt ist und die Kanalisation vom Grundeigentümer noch nicht benutzt ![]() ![]() | |
Gebühren bedürfen einer Grundlage im formellen Gesetz, sofern es sich nicht um blosse Kanzleigebühren handelt. Inwieweit das formelle Gesetz selber die Grundsätze der Gebührenerhebung zu regeln hat, hängt nach der Rechtsprechung freilich von den Besonderheiten der in Frage stehenden Abgabe ab (vgl. BGE 104 Ia 115 E. 3 und 4). Die Gebühren unterstehen sodann grundsätzlich dem Kostendeckungs- und dem aus dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit folgenden Äquivalenzprinzip. Nach dem Kostendeckungsprinzip soll der Gesamtertrag der Gebühren die Gesamtkosten des Gemeinwesens für den betreffenden Verwaltungszweig oder die betreffende Einrichtung nicht übersteigen. Das Kostendeckungsprinzip gilt nach der Rechtsprechung aber nicht uneingeschränkt. Der Überprüfung nach diesem Grundsatz entziehen sich namentlich gewisse Benutzungsgebühren (z.B. für die Sondernutzung des öffentlichen Grundes, vgl. BGE 104 Ia 116; BGE 100 Ia 140 E. 6c; ferner IMBODEN/RHINOW, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, 5. A., Bd. II, S. 779). Für Kanalisationsanschlussgebühren gilt eine derartige Einschränkung jedoch nicht, da diese Abgaben anders als Gebühren für die Benutzung des öffentlichen Grundes einen engen Bezug zu den Erstellungskosten einer öffentlichen Einrichtung haben und dazu bestimmt sind, diese Kosten auf die interessierten Grundeigentümer zu verteilen. Nach dem Äquivalenzprinzip soll die Höhe der einzelnen Gebühr in einem angemessenen Verhältnis zu der ![]() ![]() | |
b) Das Bundesgericht hat bei den Kantonen eine Erhebung über die Frage durchgeführt, ob hinsichtlich der Höhe der Kanalisationsanschlussgebühren ein Unterschied gemacht werde, je nachdem ob die Abgabe eine bereits vor der Erstellung der Kanalisation errichtete Baute betreffe oder sich auf ![]() ![]() | |
Wo für den Anschluss von Altbauten eine niedrigere Gebühr vorgesehen ist, wird das in der Regel damit begründet, dass die Eigentümer solcher Bauten bereits gewisse Investitionen für die Reinigung und Ableitung der Abwässer getroffen und unter Umständen auch schon früher Gebühren für derartige Anlagen entrichtet hätten. Da diese Einrichtungen nun wertlos würden, rechtfertigt sich eine Reduktion der Kanalisationsanschlussgebühr. Geltend gemacht wird auch, Altbauten würden die Kanalisation in der Regel weniger belasten als Neubauten, da ihre sanitären Einrichtungen zumeist schlechter seien als diejenigen ![]() ![]() | |
c) Die Gründe, die für eine generelle Differenzierung der Anschlussgebühren vorgebracht werden, lassen sich nicht als unhaltbar erachten. Es ist vertretbar, wenn bei der Bemessung der Abgabe Rücksicht darauf genommen wird, dass der Eigentümer einer Altbaute vor dem Anschluss der Liegenschaft an die Kanalisation bereits gewisse Vorkehren zur Reinigung und Beseitigung des Abwassers getroffen hat. Es lässt sich auch mit haltbaren Gründen annehmen, für den Eigentümer einer Altbaute entständen aus dem Kanalisationsanschluss und den notwendig werdenden Anpassungs- und Wiederherstellungsarbeiten grössere Kosten als für den Eigentümer einer Neubaute. Es lässt sich sodann mit ernsthaften Gründen die Auffassung vertreten, aus Altbauten ergebe sich wegen der weniger guten sanitären Installationen und wegen der oft weniger intensiven Nutzung eine geringere Beanspruchung der Kanalisation als aus Neubauten. Werden zur Deckung der Kanalisationsbaukosten keine Beiträge (Vorzugslasten) erhoben, sondern lediglich einmalige Anschlussgebühren gefordert, so ist es deshalb nicht willkürlich, den dargelegten Besonderheiten durch eine Reduktion der Gebühr für Altbauten Rechnung zu tragen. Es lässt sich ohne Verstoss gegen Art. 4 BV annehmen, dass deren Eigentümer aus dem Anschluss an die Kanalisationen im ganzen gesehen einen geringeren Nutzen ziehen als die Eigentümer von Neubauten. Freilich tragen diejenigen kommunalen Reglemente den für eine Abstufung der Gebühr sprechenden Überlegungen besser Rechnung, die eine Reduktion nur dann vorsehen, wenn im Einzelfall dargetan ist, dass eine Baute bereits über gewisse Anlagen zur Reinigung und Beseitigung der Abwässer verfügt. Es lässt sich aber vertreten, wenn der Gesetzgeber auf einen solchen Nachweis im Einzelfall verzichtet und für ![]() ![]() | |
Die Beschwerdeführer wenden im vorliegenden Fall freilich zu Recht ein, zugunsten der Altbauten entstehe eine zusätzlich Privilegierung, wenn auf die steueramtlichen Schatzungswerte abgestellt werde und diese nicht nachgeführt seien. Stehen die Schatzungen der Altbauten in keinem vernünftigen Verhältnis zu den Schatzungen der Neubauten, so ist zweifelhaft, ob diese Art der Gebührenbemessung überhaupt mit Art. 4 BV vereinbar sei. Was die Gemeinde Andermatt betrifft, so hat die letzte allgemeine Liegenschaftsschatzung vor ungefähr 15 Jahren stattgefunden. Daraus kann aber nicht abgeleitet werden, dass für Altbauten generell zu tiefe Schatzungswerte gelten würden. Nach der urnerischen Verordnung über die steueramtliche Schatzung der Grundstücke vom 17. Dezember 1962 ist nämlich bei einer grösseren Zahl von Vorkommnissen, namentlich bei Handänderungen, Änderungen in der Benutzungsart, Neu- und Umbauten oder sonstigen speziellen Wertveränderungen eine Neuschatzung vorzunehmen. Wenn der Regierungsrat in seiner Vernehmlassung ausführt, dass in der Gemeinde Andermatt, die seit der letzten allgemeinen Liegenschaftsschatzung einen grossen baulichen Aufschwung genommen habe, zahlreiche Liegenschaften neu geschätzt worden seien, so kann das nicht als unhaltbar erachtet werden. Es lässt sich daher nicht sagen, dass für die vor der Erstellung der Kanalisation errichteten Bauten generell Schatzungswerte gelten würden, die zu den Schatzungswerten der mit Neubauten versehenen Liegenschaften in einem offenkundigen Missverhältnis ständen. Auch in dieser Hinsicht verstösst die streitige Kanalisationsanschlussgebühr daher nicht gegen Art. 4 BV.
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d) Die Beschwerdeführer halten die Erhebung der Kanalisationsanschlussgebühr nach Massgabe des Liegenschaftsschatzungswertes aus einem weiteren Grunde für verfassungswidrig. Sie machen geltend, diese Berechnungsweise lasse den Umstand unberücksichtigt, dass der Abwasseranfall aus der Liegenschaft im Verhältnis zu deren hohen Schatzungswert gering sei. Der hohe Schatzungswert ergebe sich nämlich unter Einbezug der zwei Untergeschosse, die, soweit sie als Autoeinstellhallen ![]() ![]() | |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
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