36. Auszug aus dem Urteil vom 13. Februar 1974 i.S. P. gegen Evangelisch-reformierte Kirche des Kantons Basel-Stadt und Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt | |
Regeste | |
Kirchensteuer; Art. 49 Abs. 6 BV. Besteuerung konfessionell gemischter Familien.
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2. Die Haftung des konfessionsfremden Ehemannes für die Kirchensteuer seiner Ehefrau ergibt sich schon aus der familienrechtlichen Unterhaltspflicht. (Bestätigung der Rechtsprechung.)
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Sachverhalt | |
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"Kirchensteuern können nur Kirchenmitgliedern auferlegt werden. Die kirchlichen Steuernormen haben der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Kirchenmitglieder Rechnung zu tragen, sowohl hinsichtlich des Eintritts als der Progression der Steuerpflicht. ..."
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Nach § 1 der Steuerordnung der Evangelisch-reformierten Kirche des Kantons Basel-Stadt vom 29. Februar 1952 (KSto) sind alle protestantischen Kantonseinwohner, die nicht ausdrücklich in der von der Kirchenordnung erforderten Form auf die Kirchenzugehörigkeit verzichtet haben, der Kirchensteuer auf dem Einkommen unterworfen. Die grundsätzliche Zurechnung und Haftung bei Familiengemeinschaften ist in § 2 KSto wie folgt geregelt:
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"Einkommen von Ehegatten werden unter jedem Güterstand nach den Vorschriften des kantonalen Steuergesetzes zusammengerechnet, ebenso das Einkommen der Eltern und das der elterlichen Nutzung unterworfene Einkommen minderjähriger Kinder (Steuergesetz §§ 2 und 3)."
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Für Familien mit unterschiedlicher Kirchenzugehörigkeit bestimmt § 3 KSto, dass die Kirchensteuer anteilsmässig erhoben wird, und zwar unter anderem wie folgt:
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"c) Ehen mit minderjährigen Kindern, wo nur ein Gatte, nicht aber die Kinder der Kirche angehören: ein Drittel der vollen Steuer."
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Die volle Steuer wird nach Abs. 2 dieser Bestimmung in Anwendung von §2 Abs. 1 berechnet ohne Rücksicht darauf, welches Familienglied das Einkommen erzielt hat.
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§ 5 KSto schreibt sodann vor:
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"Das Familienhaupt vertritt die Familiengemeinschaft gegenüber der Kirche in allen Steuerangelegenheiten; ihm werden die Veranlagungen zugestellt, und es ist zur Ergreifung der Rechtsmittel berechtigt.
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Das gilt grundsätzlich auch dann, wenn das Familienhaupt die Kirchenzugehörigkeit nicht besitzt; doch steht es den Ehegatten in diesen Fällen frei, durch gemeinsamen Antrag die zur Kirche gehörende Ehefrau als die Vertreterin der Gemeinschaft zu bezeichnen.
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In allen Fällen haften beide Ehegatten unabhängig von ihrem Güterstand und von ihrer Kirchenzugehörigkeit solidarisch für die Steuerforderungen. ..." ![]() | |
Mit Verfügung und Rechnung der Verwaltung der Evangelisch-reformierten Kirche des Kantons Basel-Stadt vom 12. April 1972 wurde P. für die Kirchensteuer 1972 aufgrund seines steuerbaren Einkommens von Fr. 47 600.-- veranlagt, und es wurde ein Drittel der vollen Steuer, nämlich Fr. 238.--, erhoben. P. erhob dagegen erfolglos Einsprache bei der Evangelisch-reformierten Kirchenverwaltung und gelangte hierauf an die Steuerrekurskommission der Evangelisch-reformierten Kirche des Kantons Basel-Stadt, welche seinen Rekurs am 31. Januar 1973 abwies. Hiergegen erhob er Rekurs beim Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt mit dem Antrag, den vorinstanzlichen Entscheid aufzuheben und festzustellen, dass er der Evangelisch-reformierten Kirche des Kantons Basel-Stadt keine Steuern schulde. Er machte im wesentlichen geltend, dass von seiner Familie nur seine Ehefrau der Evangelisch-reformierten Kirche angehöre, die jedoch weder Einkommen noch Vermögen habe und mit ihm in Gütertrennung lebe. Mit seiner Besteuerung zugunsten dieser Kirche werde daher von ihm eine Kultussteuer verlangt, die zu bezahlen er nach Art. 49 Abs. 6 BV nicht gehalten sei und was auch § 19 Abs. 3 KV, §4 Abs. 1 StaatsoberaufsichtsG sowie § 1 Abs. 1 KSto widerspreche.
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C.- Der Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt wies den Rekurs am 21. August 1973 ab. Wie der Begründung des Entscheids im wesentlichen zu entnehmen ist, wird in der angefochtenen Steuerverfügung kein Verstoss gegen das in Art. 49 Abs. 6 BV enthaltene und in § Abs. 1 des kantonalen StaatsoberaufsichtsG näher bestimmte Verbot gesehen, jemanden für eigentliche Kultuszwecke einer Religionsgenossenschaft zu besteuern, der er nicht angehört. Nach der bundesgerichtlichen Praxis zu Art. 49 Abs. 6 BV sei es zulässig, bei der Besteuerung konfessionell gemischter Familien das Einkommen aller Familienmitglieder zusammenzurechnen, wenn die Steuer mit Rücksicht auf den nicht kirchenangehörigen Teil der Familie auf einen Bruchteil ermässigt werde. Diesem Grundsatze entspreche § 3 KSto, gemäss welchem die ![]() ![]() | |
D.- P. führt staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 49 Abs. 6 und Art. 4 BV. Er beantragt, den Entscheid des Regierungsrats des Kantons Basel-Stadt vom 21. August 1973 sowie die Steuerveranlagung der Evangelischreformierten Kirche vom 12. April 1972 aufzuheben und festzustellen, dass er der genannten Kirche keine Steuern schulde. Die Begründung der Beschwerde wird, soweit nötig, in den nachstehenden Erwägungen wiedergegeben.
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E.- Der Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt und die Evangelisch-reformierte Kirche Basel-Stadt beantragen, die Beschwerde abzuweisen.
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4. Nach Art. 49 Abs. 6 BV ist niemand gehalten, Steuern zu bezahlen, welche speziell für eigentliche Kultuszwecke einer Religionsgenossenschaft, der er nicht angehört, auferlegt werden. Über die Ausführung des Verfassungsgrundsatzes hat der ![]() ![]() | |
a) Das Bundesgericht hat stets eine kantonale Ordnung für unzulässig gehalten, nach welcher eine konfessionell gemischte Hausgemeinschaft von einer der in Betracht fallenden Religionsgenossenschaften trotz Einspruchs für die volle Kirchensteuer in Anspruch genommen wird. Nach der ständigen Rechtsprechung ist dem konfessionell gemischten Charakter einer Familie Rechnung zu tragen, indem nur ein Bruchteil der vollen Kirchensteuer verlangt werden darf, welcher dem Verhältnis der verschiedenen Kirchenzugehörigkeiten innerhalb der besteuerten Gemeinschaft entspricht. In der Berechnung der Kirchensteuer aufgrund des Gesamteinkommens der Familie hat das Bundesgericht jedoch nie einen Verstoss gegen Art. 49 Abs. 6 BV gesehen. Es vertrat immer die Auffassung, dass die sogenannte Haushaltbesteuerung eine Frage des Steuerrechts sei und grundsätzlich nichts damit zu tun habe, ob die Besteuerung einen verfassungswidrigen Gewissenszwang in sich schliesse (BGE 35 I 683, BGE 40 I 380 f., BGE 65 I 233). Der Beschwerdeführer hält diese Praxis jedoch nicht mehr für zeitgemäss. Nach seiner Meinung geht es angesichts der heute anerkannten Gleichberechtigung der Frau nicht mehr an, die Ehegatten in Steuerbelangen als eine Einheit und den Ehemann als Steuersubjekt für seine Ehefrau zu behandeln. Dies sei gerade im vorliegenden Fall besonders stossend, da seine Ehefrau weder Einkommen noch Vermögen habe und er zudem mit ihr in Gütertrennung lebe. Indem sein Einkommen als Berechnungsgrundlage für die Kirchensteuer seiner Ehefrau genommen werde, zwinge man ihn zur Bezahlung der Kultussteuer für eine Kirche, der er nicht angehöre. Dieses Vorgehen widerspreche auch §4 StaatsoberaufsichtsG, wonach die Kirchensteuernormen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Kirchenmitglieder Rechnung zu tragen haben. ![]() | |
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Soweit der Beschwerdeführer glaubt, aufgrund der angefochtenen Ordnung werde er persönlich besteuert zugunsten einer Kirche, der er nicht angehört, verkennt er den rechtlichen Sachverhalt. Nicht er ist Steuersubjekt, sondern seine Ehefrau. Nicht er wird um seiner Person willen besteuert, was im Widerspruch zum Kultussteuerverbot stünde, sondern seine Ehefrau, von der nach Art. 49 Abs. 6 BV die Kirche, der sie angehört, eine Kultussteuer verlangen kann. Wenn auf das Einkommen des Beschwerdeführers abgestellt wird, so einzig im Sinne einer Bemessungsgrundlage für die von seiner Ehefrau wegen ihrer Kirchenzugehörigkeit geschuldete Steuer. Diese Zurechnung seines Einkommens ergibt sich aus dem im baselstädtischen Steuerrecht geltenden Prinzip der Haushaltbesteuerung (§ 2 StG), das von der KSto in § 2 und § 3 Abs. 2 übernommen worden ist. Das der herrschenden schweizerischen Rechtsauffassung entsprechende Prinzip der Haushaltbesteuerung, wonach die Ehegatten als eine wirtschaftliche Einheit betrachtet und aufgrund ihrer ohne Rücksicht auf den Güterstand zusammengerechneten Einkommen gemeinsam besteuert werden (vgl. F. CAGIANUT, Gerechte Besteuerung der Ehegatten, Bern 1971, S. 16 ff.), wird als solches vom Beschwerdeführer mit Recht nicht beanstandet. Er macht nur geltend, die Einheitsbesteuerung der Familie führe bei der Kirchensteuer zu einem mit Art. 49 Abs. 6 BV nicht vereinbaren Ergebnis, wenn die Ehegatten nicht der gleichen Konfession angehören.
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Die Rüge ist, abgesehen davon, dass damit schon der den Grundsatz der Haushaltbesteuerung festhaltende § 2 KSto anzufechten gewesen wäre, unbegründet. Die Vorbringen des Beschwerdeführers geben dem Bundesgericht keinen Anlass, von seiner bisherigen Praxis abzuweichen und für die Kirchensteuer bei konfessionsverschiedenen Ehen nur noch die Individualbesteuerung zuzulassen. Der Tatsache, dass die Ehegatten zivilrechtlich und wirtschaftlich eine Einheit bilden, darf auch ![]() ![]() | |
Wenn, wie der Beschwerdeführer unter Hinweis auf verschiedene Urteile des deutschen Bundesverfassungsgerichts geltend macht, in der Bundesrepublik Deutschland nach der neueren Rechtsprechung bei glaubensverschiedenen Ehen für die Kirchensteuer von Verfassungs wegen die Individualbesteuerung verlangt wird (EB VerfG 19/1966 Nr. 28, 30, 32-34), so entspricht dies der heute im deutschen Steuerrecht ganz allgemein massgebenden Rechtsauffassung, wonach die Haushaltbesteuerung zusammenlebender Ehegatten als verfassungswidrig betrachtet wird (EB VerfG 6/1957 Nr. 9, vgl. ZBl. ![]() ![]() | |
b) Die ferner angefochtene Regelung des § 5 Abs. 3 KSto, wonach beide Ehegatten unabhängig von ihrem Güterstand und von ihrer Kirchenzugehörigkeit solidarisch für die Steuerforderungen haften, ist hier nur so weit zu überprüfen, als damit der Ehemann für die Kirchensteuerforderung gegenüber seiner Ehefrau haftbar gemacht wird (vgl. Erw. 3). Was der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang vorbringt, vermag den behaupteten Verstoss gegen Art. 49 Abs. 6 BV nicht darzutun. Wenn er für die Steuerschuld seiner Ehefrau mithaften muss, so ist er auch hier nicht als Steuersubjekt und damit nicht um semer Person willen betroffen. Dass er für die Steuerschuld seiner Ehefrau einzustehen hat, steht im Sinne des Gedankens, dass sich ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nach seinem Einkommen und Vermögen richtet. Können diese Mittel ohne Verletzung von Art. 49 Abs. 6 BV zur Bemessung der Steuer herangezogen werden, so darf auch zur Einziehung der Steuerschuld auf sie gegriffen werden. Ob die in § 5 Abs. 3 KSto vorgesehene solidarische Haftung sich allenfalls entsprechend den Steuerbemessungsgrundsätzen der §§ 2 und 3 KSto nur auf das Einkommen des Ehemannes erstrecken darf, ist eine Frage, die in der Beschwerde nicht aufgeworfen wird. Die Zulässigkeit einer solidarischen Haftung des Ehemannes für die Steuerschuld seiner Ehefrau ergibt sich aber vor allem schon aus der Unterhaltspflicht des Ehemannes für die Ehefrau (Art. 160 ZGB). Zu den persönlichen Bedürfnissen der Ehefrau, für die der Ehemann als Haupt der Familie grundsätzlich aufzukommen hat, gehören auch diejenigen religiöser, seelischer und kultureller Natur (Kommentar LEMP zu Art. 160 ZGB N 22). Hat der Beschwerdeführer somit im Rahmen seiner Unterhaltspflicht die mit der Mitgliedschaft seiner Ehefrau in einer Kirche verbundenen Kosten zu tragen, so kann ihm ohne weiteres auch die Mithaftung für die von ihr geschuldete Kirchensteuer auferlegt werden.
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c) Dass nach § 5 Abs. 1 und 2 KSto auch dem konfessionsfremden Ehemann die Kirchensteuerveranlagung zugestellt ![]() ![]() | |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
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