2. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung | |
vom 1. März 1989
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i.S. P. gegen Gemeinde Paspels und Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden
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(staatsrechtliche Beschwerde)
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Regeste | |
Art. 4 BV; Kognition im kantonalen Beschwerdeverfahren; formelle Rechtsverweigerung.
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1. Die in BGE 112 Ia 121 E. 3 dargelegte Praxis zur Legitimation im Bereich des Raumplanungsrechtes (Art. 33 RPG) ist auch auf die Frage der Kognition anwendbar (E. 2c).
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2. Eine Behörde begeht eine formelle Rechtsverweigerung, wenn sie sich mit einer blossen Willkürprüfung begnügt, obwohl ihr umfassende Kognition zukommt (E. 2b).
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3. Bei freier Kognition kann unter Umständen eine zurückhaltende Überprüfung geboten sein, sofern der unteren Instanz ein gewisser Beurteilungsspielraum zukommt. Eine Rechtsmittelbehörde verletzt jedoch Art. 4 BV, wenn sie in einem solchen Fall eine blosse Willkürprüfung vornimmt (E. 2d)
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A. Die Baugesellschaft P. erhielt vom Gemeinderat Paspels die Baubewilligung für zwei Einfamilienhäuser in der Wohnzone der Gemeinde Paspels. Als die beiden Gebäude schon im Rohbau ![]() ![]() | |
aus folgenden Erwägungen:
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Erwägung 2 | |
Im Zusammenhang mit der Auslegung von Art. 45 Abs. 2 BauG hält das Verwaltungsgericht zur Kognition fest, auf dem Gebiet des öffentlichen Baurechts stehe den bündnerischen Gemeinden ein weiter Spielraum freier Gestaltung und damit eine relativ erhebliche Entscheidungsfreiheit zu. Dies gelte auch für die Frage, ob sich Wohnraum im Erdeinschnitt befinde oder ob von einem freistehenden Untergeschoss gesprochen werden könne. Entsprechend dürfe es einen kommunalen Entscheid nur dann aufheben, wenn die Gemeindebehörde einen Missbrauch oder eine ![]() ![]() | |
Bei Art. 45 Abs. 2 BauG geht es ausschliesslich um die Zulässigkeit von Wohn- und Arbeitsräumen im Erdeinschnitt bzw. in freistehenden Untergeschossen. Es steht weder die Baubewilligungspflicht als solche noch das Problem der Mindestvoraussetzungen für die Bewilligung in Frage. Demnach handelt es sich um kommunales Baurecht, das nicht zu den Ausführungsbestimmungen ![]() ![]() | |
d) Zu prüfen ist indessen, ob das Verwaltungsgericht die im kantonalen Recht vorgesehene Überprüfungsbefugnis beachtet hat. Gemäss Art. 53 lit. a des Gesetzes über die Verwaltungsgerichtsbarkeit im Kanton Graubünden (VGG) kann mit dem Rekurs jede Rechtsverletzung einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens gerügt werden. Hinsichtlich der Rechtskontrolle steht dem Gericht demnach freie Kognition zu. Wie oben dargelegt, hat das Verwaltungsgericht die Auslegung von Art. 45 Abs. 2 BauG jedoch nur unter dem Gesichtswinkel der Willkür geprüft. Darin liegt eine unzulässige Beschränkung der gemäss Art. 53 lit. a VGG vorgesehenen Kognition bei Rechtsfragen im Rekursverfahren. Zwar ist dem Verwaltungsgericht insofern zuzustimmen, als bei der Auslegung unbestimmter Gesetzesbegriffe, insbesondere wenn es sich - wie hier - um kommunales Recht handelt, unter Umständen eine zurückhaltende Überprüfung geboten sein kann, sofern der unteren Instanz ein gewisser Beurteilungsspielraum zusteht (vgl. dazu BGE 108 Ib 203 E. 3b; 107 Ib 121; 104 Ib 112). Ob vorliegend ein solcher Beurteilungsspielraum gegeben ist, kann offengelassen werden. Selbst wenn das zutreffen sollte, hiesse dies nicht, dass das Verwaltungsgericht seine Kognition im dargelegten Sinne beschränken darf. Die von der Rechtsprechung anerkannte Zurückhaltung bedeutet nicht, dass nur noch unter dem beschränkten Gesichtswinkel der Willkür geprüft werden darf; selbst in einem solchen Fall bleibt grundsätzlich die Pflicht zur freien Überprüfung bestehen, wenn auch in einem etwas zurückhaltenderen Rahmen. Die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Kognitionsbeschränkung stellt daher eine formelle Rechtsverweigerung dar. ![]() |