3. Urteil der I. Zivilabteilung | |
vom 23. Januar 1979
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i.S. Penza gegen ICC Handels AG
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(Berufung)
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Regeste | |
1. Zustandekommen des Vertrages, Art. 1 Abs. 1 und Art. 18 Abs. 1 OR.
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Auslegung der Willensäusserungen nach Treu und Glauben und Bedeutung des übereinstimmenden inneren Willens der Parteien (E. 2-4).
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2. Irrtum, Art. 24 Abs. 1 Ziff. 1 und 4 und Abs. 2 OR. Erklärungsirrtum, Grundlagenirrtum, Irrtum im Beweggrund (E. 5).
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A.- Aurelio Penza und die ICC Handels AG befassen sich beide mit dem Handel von Chemikalien. Am 18. Januar 1974 führten sie telefonisch Verhandlungen über die Lieferung von Ätznatron; der Inhalt der dabei getroffenen mündlichen Abmachungen lässt sich nicht mehr ermitteln. Noch am 18. Januar 1974 richtete die ICC Handels AG durch ihren Angestellten F. ein Fernschreiben an Penza, in dem sie "unser festgebot gueltig bis februar 21" für "2000 mt netto aetznatron" bestätigte. Als Preis waren 195 US § "per mt fob italian port" genannt. Die Zahlung sollte durch ein "unwiderrufliches akkreditiv ... zu unseren gunsten durch bank baer zuerich" erfolgen. Dieses "Festgebot" verstehe sich vorbehältlich "Schiffsraumbuchung". Mit Fernschreiben und eingeschriebenem Brief vom 21. Januar 1974 nahm Penza auf diese "feste Offerte" Bezug und bestätigte Ätznatron "von ihnen gekauft und sie an uns verkauft zu haben", wobei die von der ICC Handels AG genannten Bedingungen ausdrücklich wiederholt wurden; der Vorbehalt betreffend die Schiffsraumbuchung wurde im Fernschreiben - im Gegensatz zum Brief vom gleichen Tage - allerdings nicht erwähnt. Noch am 21. Januar antwortete die ICC Handels AG wiederum mittels Fernschreibens; sie dankte Penza für seine Mitteilung und erklärte, dass "unser festgebot ausdrücklich vorbehältlich 'schiffsraumbuchung' zu verstehen ist". Nach einem Telefongespräch mit F. wandte sich Penza am 24. Januar 1974 erneut schriftlich an die ICC Handels AG. Darin ersuchte er diese um Bekanntgabe des Verschiffungshafens bis zum andern Tage, "damit das akkreditiv eröffnet wird". Den telefonisch geäusserten Einwand, "force majeur" stehe einer Lieferung entgegen, könne er nicht annehmen. Am 7. März setzte Penza schliesslich der ICC Handels AG eine "letzte Frist", um einen Liefertermin für die 2000 mt Ätznatron zu nennen. Die ICC Handels AG antwortete indes am 14. März 1974, dass die fragliche Ware, wie in mehreren Telefongesprächen schon dargelegt, nie existiert habe; die von F. am 18. Januar 1974 "durchgegebene offerte basierte auf einer falschinterpretation eines fernschreibens von unserem büro in new york". Dieses habe nämlich die Ware zum genannten Preis kaufen und nicht verkaufen wollen.
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B.
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Im April 1976 klagte Penza gegen die ICC Handels AG auf Zahlung von US § 270'000.- nebst Zins zu 7% seit dem 1. März 1974. Für den Fall, dass die geschuldete Summe mittels Betreibung geltend gemacht werden müsse, sei festzustellen, "dass die Schadenersatzsumme zum Kurs von Fr. 3.14 pro US Dollar umzurechnen ist".
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Das Kantonsgericht des Kantons Zug wies die Klage am 25. November 1977 ab, ebenso auf Appellation des Klägers hin das Obergericht des Kantons Zug mit Urteil vom 6. Juli 1978.
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C.
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Gegen das obergerichtliche Erkenntnis hat der Kläger die Berufung an das Bundesgericht erklärt, mit der er Gutheissung seiner Klagebegehren verlangt; allenfalls sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Die Beklagte schliesst auf Abweisung der Berufung. ![]() | |
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
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Erwägung 1 | |
Erwägung 2 | |
Die Ermittlung der Bedeutung, die den Willensäusserungen der Parteien beim Abschluss eines Vertrages nach Treu und Glauben zukommt, ist eine Rechtsfrage, die im Berufungsverfahren der freien Überprüfung durch das Bundesgericht unterliegt; dieses ist aber an Feststellungen der letzten kantonalen Instanz hinsichtlich äusserer Tatsachen und des inneren Willens der Parteien gebunden (BGE 100 II 149 E. 3c, 99 II 285 E. 1/2, 96 II 333 E. 4d mit Hinweisen).
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Erwägung 3 | |
3.- a) Richtig ist, dass nach Art. 1 OR der Vertragsschluss vom Vorliegen übereinstimmender Willensäusserungen - und nicht vom wirklichen Willen der Vertragspartner - abhängt und dass diese Willensäusserungen nach dem Vertrauensgrundsatz auszulegen sind, indem massgebend ist, wie sie vom Empfänger in guten Treuen verstanden werden durften und mussten (BGE 101 II 331 E. 2, 96 II 141 E. 2; SCHÖNENBERGER/JÄGGI, N. 188 und 195 f. zu Art. 1 OR). ![]() ![]() | |
c) Hat der Kläger das Fernschreiben der Beklagten vom 18. Januar 1974 so verstanden, wie es gemeint war, so ist der Vertrag nach dem Gesagten zustande gekommen; für eine Auslegung der beidseitigen Willenserklärungen nach Treu und ![]() ![]() | |
Erwägung 4 | |
4.- a) Selbst wenn der Kläger ob den Unstimmigkeiten in dem ihm von der Beklagten unterbreiteten Angebot hätte "stutzig" werden müssen, ändert dies nichts daran, dass die Beklagte ein Verkaufsangebot machte. Allfällige Unklarheiten räumte der Kläger mit seiner klaren und widerspruchsfreien Annahmeerklärung aus, indem er der Beklagten bestätigte, "von ihnen gekauft und sie an uns verkauft zu haben". Mehr durfte von ihm unter diesen Umständen nicht erwartet werden. Indem er die von der Beklagten gemachten Bedingungen wiederholte und das Wort "Festgebot" ersetzte durch "feste Offerte" nahm er das Angebot der Beklagten an, wie sie es gemeint hatte. Unbehelflich ist es deshalb, wenn die Beklagte vor Bundesgericht vorbringt, damit habe der Kläger sie in ihrer Verkäuferstellung festnageln wollen. Hätte sie wirklich nicht verkaufen wollen, so hätte sie auf das Bestätigungsschreiben des Klägers hin allen Anlass gehabt, einen solchen Versuch entschieden zurückzuweisen. Statt dessen verdankte sie noch gleichen Tags ausdrücklich die "Bestätigung" des Klägers und fügte lediglich bei, dass das gemachte Angebot "ausdrücklich vorbehältlich 'schiffsraumbuchung' zu verstehen" sei. Selbst wenn der Vertragsschluss nicht schon mit der Annahmeerklärung des Klägers vom 21. Januar zustande gekommen, sondern das klägerische Fernschreiben mit dem Obergericht als neue Offerte anzusehen wäre, wäre der Vertrag jedenfalls mit diesem Antwortschreiben der Beklagten geschlossen worden. Mit dem Vorbringen, der Kläger habe gewusst, dass die Beklagte weder verkaufen wollte noch verkaufen konnte, ist die Beklagte nicht ![]() ![]() | |
Erwägung 5 | |
5.- Steht somit fest, dass die Beklagte dem Kläger 2000 mt Ätznatron zu den aus den schriftlichen Erklärungen der Parteien ![]() ![]() | |
Zu prüfen sind aber auch die weiteren von der Beklagten gegen ihre Zahlungspflicht erhobenen Einwendungen. Das gilt zunächst für die Voraussetzungen einer Schadenersatzpflicht wegen Nichterfüllung des Vertrages sowie für die Berechnung des Schadens. Zu prüfen ist ferner auch der Einwand der Beklagten, der Kläger sei bezüglich der Schiffsraumbeschaffung einer Bedingung des Vertrages nicht nachgekommen. In dieser Hinsicht erlaubt der von der Vorinstanz festgestellte Tatbestand keine abschliessende Beurteilung, sondern bedarf der Ergänzung; in Anwendung von Art. 64 Abs. 1 OG ist das angefochtene Urteil deshalb aufzuheben und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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Entscheid: | |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
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Die Berufung wird dahin gutgeheissen, dass das Urteil des Obergerichts des Kantons Zug vom 6. Juli 1978 aufgehoben und die Sache zur neuen Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen wird. ![]() |