23. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung i.S. Demokratische JuristInnen der Schweiz (DJS) Regionalgruppe Basel und Mitb. gegen Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt (Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten) | |
1C_537/2021 vom 13. März 2023 | |
Regeste | |
Art. 8 Abs. 2, Art. 10 Abs. 2, Art. 16, 27 und 36 BV; Art. 8, 10 und 14 EMRK; Grund- und Menschenrechtskonformität eines partiellen Bettelverbots; abstrakte Normenkontrolle.
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Das Verbot organisierten Bettelns ist verfassungs- und menschenrechtskonform auszulegen. Das Verbot von passivem Betteln in Parks ist aufzuheben. Passives Betteln mit einer Busse zu bestrafen, die bei Nichtleistung in eine Freiheitsstrafe umgewandelt wird, ist nur zulässig, wenn vorweg angemessene Administrativmassnahmen ergriffen worden sind, um die Sanktionsfolge abzumildern. Im Übrigen ist die erlassene Regelung eines partiellen Bettelverbots mit Blick auf die persönliche Freiheit bzw. den Schutz des Privatlebens nicht zu beanstanden (E. 5).
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Das Bettelverbot verstösst nicht gegen Freizügigkeitsrecht (E. 6).
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Das partielle Bettelverbot bewirkt als Gesetzesbestimmung keine indirekte Diskriminierung; bei der Umsetzung des Verbots ist jedoch den Anforderungen an eine diskriminierungsfreie Rechtsanwendung gebührend Rechnung zu tragen (E. 7).
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Sachverhalt | |
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Am 19. Januar 2021 fällte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte das Urteil Nr. 14065/15 Lacatus gegen Schweiz. Er erkannte darin einen Verstoss gegen das Recht auf Achtung des Privatlebens gemäss Art. 8 EMRK, dass im Kanton Genf eine Bettlerin wegen der Missachtung des Bettelverbots mit einer Busse von Fr. 500.- bestraft worden war, die wegen Uneinbringlichkeit in eine Freiheitsstrafe von fünf Tagen umgewandelt worden war. Im Wesentlichen hielt der Gerichtshof fest, es gebe mildere Massnahmen als ein umfassendes Bettelverbot, das aufgrund der prekären finanziellen Verhältnisse der Bettelnden im Ergebnis zu einer Freiheitsstrafe führe. Im Anschluss daran schlug der Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt dem Grossen Rat vor, auf die Wiedereinführung eines umfassenden Bettelverbots zu Gunsten eines partiellen zu verzichten. Gestützt darauf erliess der Grosse Rat am 23. Juni 2021 die nachfolgende Neufassung von § 9 ÜStG, die am 1. September 2021 in Kraft trat: ![]() | |
1 Mit Busse wird bestraft, wer:
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a) in organisierter Art und Weise bettelt;
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b) andere Personen zum Betteln schickt;
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c) beim Betteln täuschende oder unlautere Methoden anwendet.
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2 Mit Busse wird bestraft, wer im öffentlichen Raum oder an allgemein zugänglichen Orten bettelt und dabei die öffentliche Sicherheit, Ruhe und Ordnung stört, namentlich wer:
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a) in aufdringlicher oder aggressiver Art und Weise bettelt;
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b) innerhalb von fünf Metern um Ein- und Ausgänge von Bahnhöfen sowie innerhalb von fünf Metern um Haltestellen des öffentlichen Verkehrs und Schiffsanlegestellen bettelt;
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c) innerhalb von fünf Metern um Geld-, Zahlungs- und Fahrkartenautomaten oder Parkuhren bettelt;
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d) innerhalb von fünf Metern um Ein- und Ausgänge von Ladengeschäften, Banken, Poststellen, Museen, Theatern, Kinos, Wohn- und Bürogebäuden oder öffentlichen Gebäuden und Einrichtungen bettelt;
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e) innerhalb von fünf Metern um Ein- und Ausgänge von Hotels, Restaurants sowie auf oder innerhalb von fünf Metern um deren Boulevardbereich bettelt;
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f) auf Märkten sowie innerhalb von fünf Metern um Verkaufsstände oder Buvetten bettelt;
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g) in öffentlichen Parks, Gärten, Friedhöfen, Spielplätzen, Schulanlagen, Unterführungen sowie innerhalb von fünf Metern um deren Ein- und Ausgänge bettelt.
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3 Die durch strafbares Betteln nach Abs. 1 erlangten Vermögenswerte können sichergestellt und eingezogen werden."
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B. Gegen diesen Beschluss des Grossen Rates führen die Demokratischen JuristInnen der Schweiz (DJS) Regionalgruppe Basel, die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV), der Verein für Gassenarbeit Schwarzer Peter, A. sowie B. Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht im Sinne der Erlassbeschwerde (abstrakte Normenkontrolle). Sie beantragen die Aufhebung von § 9 Abs. 1 lit. a ÜStG (betreffend Betteln in organisierter Art und Weise), von § 9 Abs. 2 lit. b-g ÜStG unter entsprechendem Einschluss des Einleitungssatzes (betreffend verschiedene Modalitäten des Bettelns ohne des Verbots des Bettelns in aufdringlicher oder aggressiver Art und Weise) sowie von § 9 Abs. 3 ÜStG (betreffend Sicherstellung und Einziehung der Vermögenswerte). Gerügt wird ein Verstoss gegen die Bundesverfassung, die Europäische Menschenrechtskonvention ![]() ![]() | |
Der Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt, handelnd für den Grossen Rat und vertreten durch das Justiz- und Sicherheitsdepartement des Kantons Basel-Stadt, schliesst auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei.
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In Replik und Duplik halten die Beschwerdeführenden einerseits und der Regierungsrat andererseits im Wesentlichen an ihren jeweiligen Standpunkten fest.
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Das Bundesgericht heisst die Beschwerde teilweise gut.
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Erwägung 3 | |
3.2 Das Bundesgericht urteilt vorliegend als erste und einzige gerichtliche Instanz (Art. 87 Abs. 1 BGG), da die hier fragliche Gesetzesbestimmung im Kanton Basel-Stadt nicht im Verfahren der abstrakten Normenkontrolle angefochten werden kann. Ein von einer zulässigen Vorinstanz (Art. 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2 BGG) festgestellter Sachverhalt, der für das Bundesgericht grundsätzlich verbindlich wäre (Art. 105 Abs. 1 BGG), fehlt daher. Soweit nötig hat das Bundesgericht den Sachverhalt somit eigenständig zu erheben. Es kann sich dabei auf die behördlichen Erklärungen stützen, insbesondere jene zur künftigen Anwendung einer Vorschrift, auf notorische Tatsachen ![]() ![]() | |
Erwägung 4 | |
4.1 Mit dem Betteln ersucht ein Mensch eine andere Person in Erwartung ihrer Grosszügigkeit um ein Almosen, üblicherweise in Geldform. Bettelei kann auf unterschiedlichen Gründen beruhen und mit verschiedenen Zielsetzungen verbunden sein. In aller Regel geht sie jedoch auf die Bedürftigkeit eines Menschen in einer prekären Lebenslage zurück (vgl. BGE 134 I 214 E. 5.3). title="BGE 149 I 248 (253)"> ![]() | |
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4.3 Gemäss der Rechtsprechung des Bundesgerichts und in Übereinstimmung mit dem juristischen Schrifttum stellt Bettelei eine elementare Freiheit der Lebensgestaltung dar und fällt in den Schutzbereich des Grundrechts der persönlichen Freiheit nach Art. 10 Abs. 2 BV bzw. des Rechts auf Achtung des Privatlebens gemäss Art. 8 EMRK. Das Verbot der Bettelei bewirkt einen Eingriff in dieses Grund- bzw. Menschenrecht (BGE 134 I 214 E. 5.3; Urteile des Bundesgerichts 1C_443/2017 vom 29. August 2018 E. 4.2; 6B_530/2014 vom 10. September 2014 E. 1.1; 6B_368/2012 vom 17. August 2012 E. 4; Urteil Lacatus, § 50 ff. und 91 f.; RAPHAELA CUENI, EGMR Lacatus gegen die Schweiz 19. Januar 2021, Jusletter 19. Januar 2021 Rz. 9 ff.; HERTIG RANDALL/LE FORT, L'interdiction de la mendicité revisitée, Plädoyer 2012 4 S. 35 f.; HERTIG RANDALL/MARQUIS, in: Commentaire romand, Constitution fédérale, 2021, N. 71 zu Art. 10 BV; MARIA LUDWICZAK GLASSEY, L'influence de la CEDH sur le droit suisse: éléments de droit pénal spécial et de droit de la coopération internationale en matière pénale, ZSR 141/2022 II S. 93 ff.; DANIEL MÖCKLI, ![]() ![]() | |
4.5.2 Zwar ist nicht ausgeschlossen, dass sich insoweit eine besondere Schutzwirkung mit Blick auf eine eventuelle wirtschaftliche Nutzung des öffentlichen Bodens und auf die Einschränkung des zulässigen öffentlichen Interesses gemäss Art. 94 BV auf Eingriffe in dieses Grundrecht, die mit dem Grundsatz der Wirtschaftsfreiheit vereinbar sind, ergeben könnte. Allerdings wird in der Literatur teilweise auch darauf verwiesen, dass im Gegenteil ideelle Nutzungen des öffentlichen Grundes in der Praxis oft grosszügiger behandelt werden als ökonomische (vgl. UHLMANN, a.a.O., N. 79 zu Art. 27 BV; vgl. auch ein analoges Zitat von HANS GEORG SEILER, in: Plädoyer 2022 6 S. 12). Im Übrigen wäre in Betracht zu ziehen, dass sich, im Unterschied zu Schweizerinnen und Schweizern, nicht alle ausländischen Personen auf die Wirtschaftsfreiheit berufen können, sondern nur solche, denen ein Anspruch auf Erwerbstätigkeit bzw. eine Anwesenheitsbewilligung mit Arbeitsberechtigung zusteht oder die ![]() ![]() | |
4.6.1 Erforderlich ist zunächst eine ausreichende gesetzliche Grundlage. Diese muss sich hier in einem Gesetz im formellen Sinne befinden, da das angefochtene Bettelverbot, auch wenn es bloss partiell ist, einen schweren Eingriff in die persönliche Freiheit bewirkt (Art. 36 Abs. 1 BV). Mit dem Erlass von § 9 ÜStG wird diese Voraussetzung grundsätzlich erfüllt. Zu beachten ist aber auch das strafrechtliche Legalitätsprinzip nach Art. 1 StGB und Art. 7 EMRK, das ebenfalls für das kantonale Übertretungsstrafrecht gilt (BGE 138 IV 13 E. 4.1 mit Hinweisen). Daraus wird unter anderem das Bestimmtheitsgebot (nulla poena sine lege certa) abgeleitet. Danach muss eine ![]() ![]() | |
4.6.2 Das strittige Bettelverbot muss sich sodann durch ein ausreichendes öffentliches Interesse oder durch den Schutz von Grundrechten Dritter rechtfertigen lassen (Art. 36 Abs. 2 BV). Dazu zählen namentlich die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, die Verteidigung dieser Ordnung sowie der Schutz der Rechte und Freiheiten anderer (vgl. Art. 8 Ziff. 2 EMRK). Gemäss dem erwähnten Urteil Lacatus gegen Schweiz kann ein Bettelverbot verschiedene zulässige Ziele verfolgen, so insbesondere den Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sowie den Schutz von Grundrechten Dritter. Das kann vor allem auf aufdringliche oder aggressive Formen des Bettelns zutreffen. Darunter fällt aber auch das Betteln in der unmittelbaren Nähe von Zahlstellen und Bankautomaten, von Geschäftseingängen sowie Bahnhöfen oder sonstigen öffentlichen Gebäuden. Erfasst wird schliesslich das Vorgehen in Netzwerken, mit denen Menschen und insbesondere Kinder zum Betteln gezwungen oder sonst wie ausgenutzt werden. Keine legitimen Interessen bilden demgegenüber das Ziel, Armut aus der öffentlichen Sichtbarkeit zu verdrängen, oder das Anliegen, Passantinnen und Passanten vor unangenehm empfundener Konfrontation mit bedürftigen Menschen zu bewahren (vgl. das genannte Urteil des EGMR, § 95 ff., mit ausdrücklichem Verweis auf das Urteil des Bundesgerichts 6C_1/2008 vom 9. Mai 2008 [BGE 134 I 214] in § 96, vgl. ![]() ![]() | |
4.6.3 Das Bettelverbot hat schliesslich verhältnismässig zu sein (Art. 36 Abs. 3 BV) bzw. muss sich als in einer demokratischen Gesellschaft notwendig erweisen (Art. 8 Ziff. 2 EMRK). Auszugehen ist von den üblichen Elementen des Verhältnismässigkeitsprinzips, d.h. der Geeignetheit, Erforderlichkeit und Zumutbarkeit im Sinne des Übermassverbots (bzw. der angemessenen Mittel-Zweck-Relation) des Eingriffs. Dabei ist in Rechnung zu stellen, dass bettelnde Personen in der Regel besonders bedürftig und vulnerabel und auf das Betteln als Mittel der Existenzsicherung angewiesen sind. Damit verbunden ist die Möglichkeit, die prekäre Lebenssituation mit dem Betteln zum Ausdruck zu bringen und ohne Aufdringlichkeit an die Hilfsbereitschaft anderer zu appellieren (so schon BGE 134 I 214 E. 5.3). Je nach Ausgestaltung vermag eine strafrechtliche Sanktion besonders ins Gewicht zu fallen. Mit Blick auf die prekäre Lebenslage von Bettelnden sind dabei hohe Bussen oder Freiheitsstrafen besonders zu hinterfragen. Zu prüfen sind gegebenenfalls mildere Massnahmen wie die Beschränkung eines Bettelverbots in zeitlicher oder räumlicher Hinsicht oder die Anwendung leichterer Sanktionsfolgen (dazu etwa TSCHENTSCHER, Grundrechte des Persönlichkeitsschutzes, in: Die staatsrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts in den Jahren 2018 und 2019, ZBJV 155/2019 S. 680 f.). Nicht zulässig ist es schliesslich, Betteln als unwürdiges Verhalten zu beurteilen und in diesem Sinne die grundrechtliche Schutzwirkung zu Lasten der Bettelnden umzukehren (vgl. das erwähnte Urteil Lacatus, § 99 ff., sowie das dortige Minderheitsvotum Ravarani, insb. § 2 ff. und 13; CUENI, a.a.O., Rz. 15 ff. und 23 ff.; vgl. sodann HERTIG RANDALL/LE FORT, a.a.O., S. 37 ff.; MÖCKLI, a.a.O., S. 562 ff.; SCHAUB, a.a.O., S. 291 ff.).
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5.2.2 Vom Wortlaut her ist § 9 Abs. 1 lit. a ÜStG weit formuliert. Insbesondere der Begriff "in organisierter Art und Weise" ist nicht ohne Weiteres eingrenzbar. Auch eine Strafnorm unterliegt jedoch der Auslegung (vgl. vorne E. 4.6.1). Der Regierungsrat führt in seiner Stellungnahme an das Bundesgericht aus, Betteln als Beseitigung einer persönlichen Notlage sei an sich ohne jede systematische (Selbst-) Organisation möglich. Würden hingegen arbeitsteilige oder planmässige Methoden angewandt, z.B. über die Zuteilung oder Besetzung von Bettelplätzen durch Absprachen, bestehe die Gefahr der Bildung von kriminellen Netzwerken, die unter Umständen auch familiär ausgestaltet sein könnten. Solche Organisationen könnten überdies der systematischen Geldbeschaffung dienen, ohne dass es um die Beseitigung einer Notlage gehe. Der Regierungsrat räumt allerdings ein, dass die "zu subsumierenden Sachverhalte in tatsächlicher Hinsicht regelmässig nicht ohne weiteres klar sein dürften", ist jedoch ![]() ![]() | |
5.2.4 § 9 Abs. 1 lit. a ÜStG ist in diesem Sinne so zu verstehen, dass davon einzig Organisationsformen erfasst werden, die nicht bloss das Betteln koordinieren, sondern dass ein zusätzlicher Unrechtsgehalt hinzukommen muss, wie er sich insbesondere in ausbeuterischen oder täuschenden Verhaltensweisen manifestiert. Dabei ist eine gewisse Überschneidung, nicht aber Deckungsgleichheit mit lit. b und c des gleichen Gesetzesabsatzes in Kauf zu nehmen. Als zusätzlicher ![]() ![]() | |
5.3.1 Nach lit. b-g wird bestraft, wer jeweils an bestimmten, abstrakt bezeichneten Orten auf dem Kantonsgebiet bettelt. Genannt werden ![]() ![]() | |
5.3.2 Der basel-städtische Gesetzgeber hat mit Blick auf das Urteil Lacatus gegen Schweiz von der Wiedereinführung eines umfassenden Bettelverbotes abgesehen und sich für ein genauer definiertes partielles Verbot entschieden. Der öffentliche Raum wird damit nicht gänzlich von der Nutzung durch bettelnde Personen ausgeschlossen. Der entsprechende schlichte Gemeingebrauch bleibt vielmehr grundsätzlich gewährt. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführenden sind die vorgesehenen Tatbestände, unter Berücksichtigung der Generalklausel im Einleitungssatz von Abs. 2 und mit Blick auf § 9 Abs. 1 und Abs. 2 lit. a ÜStG, verständlich und ausreichend bestimmt. Es ist für die Normadressaten und -adressatinnen erkennbar, wo und wie sie betteln dürfen bzw. wo und mit welchem verpönten Verhalten nicht, zumal ihnen vom Kanton auch entsprechende Informationen zur Verfügung gestellt werden. Bei der Beschreibung der Orte, wo ein Verbot gilt, handelt es sich grossmehrheitlich um solche, bei denen Betteln geeignet ist, die öffentliche Ordnung, Ruhe und Sicherheit oder die zu schützenden Interessen Dritter zu beeinträchtigen. Es geht um den Zugang zu öffentlichen und privaten Gebäuden und Anlagen sowie den Schutz des Privatbereichs bei der gewinnstrebigen wie auch persönlichen Nutzung solcher Einrichtungen. Dabei kann es grundsätzlich nicht darauf ankommen, ob die Distanz fünf oder zwei Meter beträgt, solange die Regelung nicht auf ein weitgehendes Bettelverbot bzw. eine Schikane hinausläuft, wofür es hier keine ausreichenden Anhaltspunkte gibt. Im Rahmen der Massnahmen im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie ![]() ![]() | |
5.3.3 In Frage zu stellen ist jedoch ein kritisches Kriterium in lit. g. Für Gärten, Friedhöfe, Spielplätze, Schulanlagen und, angesichts der regelmässig engen Verhältnisse, Unterführungen sowie im Bereich von fünf Metern um deren Ein- und Ausgänge lässt sich das Bettelverbot durch überwiegende öffentliche Interessen wie die geordnete bestimmungsgemässe und bei Friedhöfen ungestörte pietätvolle Nutzung der Anlagen sowie den Schutz von Kindern rechtfertigen. Für öffentliche Parks trifft dies indessen nicht zu. Wer dort Erholung sucht, ist durch § 9 Abs. 2 lit. a ÜStG vor aufdringlichem oder aggressivem Betteln ausreichend geschützt. Im Übrigen handelt es sich bei Parkanlagen nicht um Ruhezonen, sondern diese sind oft durch Sport und Spiel, gesellschaftliche Diskussionen oder Musik lärmbelastet. Für einen Ausschluss von rein passivem Betteln bestehen insofern keine ausreichenden öffentlichen Interessen. Soweit es darum ginge, was jedoch selbst der Regierungsrat verneint, unerwünschte Nebenerscheinungen wie wildes Campieren oder die Verrichtung der Notdurft zu verhindern, so kann solchen Verhaltensweisen unmittelbar durch entsprechende Nutzungsordnungen und andere Strafnormen begegnet werden (vgl. § 7 ÜStG [Missachtung von Benützungsvorschriften und Verboten] und § 8 ÜStG [Verrichten der Notdurft]). Bestehen konkret Hinweise auf Sicherheitsrisiken, kann ebenfalls auf polizeiliche Kontrollmassnahmen und allenfalls sonstige Strafbestimmungen zurückgegriffen werden (vgl. insb. § 3 ÜStG [Ungebührliches Verhalten] und erneut § 7 ÜStG). Ein Bettelverbot ![]() ![]() | |
5.4.2 Wird im Kanton Basel-Stadt die im Ordnungsbussenverfahren ausgesprochene Busse innert einer Bedenkfrist von 30 Tagen nicht geleistet, wird die Angelegenheit an die Staatsanwaltschaft überwiesen, die anschliessend das ordentliche Strafverfahren einleitet (vgl. § 27 ÜStG), das in der Regel zu einem entsprechenden Strafbefehl führt. Für den Fall, dass die Busse schuldhaft nicht beglichen wird, ist eine Ersatzfreiheitsstrafe von mindestens einem Tag und höchstens drei Monaten anzuordnen (Art. 106 Abs. 2 StGB). Busse und ![]() ![]() | |
5.4.3 Aus dem Urteil Lacatus gegen Schweiz geht hervor, dass sich der Gerichtshof vor allem an der Schwere der Sanktion von damals ![]() ![]() | |
5.4.5 Analoges gilt, wenn auch auf tieferer Stufe, für die Strafdrohung von § 9 Abs. 2 lit. a ÜStG. Es lässt sich ausreichend rechtfertigen, aufdringliches und aggressives Betteln zu untersagen und zur Bekämpfung solcher Verhaltensweisen wegen des entsprechenden Unrechtsgehalts auch Bussen oder Ersatzfreiheitsstrafen auszusprechen, die sich zwar nach den finanziellen und persönlichen Verhältnissen der zu bestrafenden Personen zu richten haben, für diese aber auch mit gewissen einschneidenden Folgen verbunden sein können, um entsprechende Wirkungen zu zeitigen. Eine Busse von Fr. 100.-, die bei Nichtleistung in eine Freiheitsstrafe von einem Tag umgewandelt wird, erweist sich diesfalls grundsätzlich auch dann, wenn es zu Wiederholungen kommt, nicht als unverhältnismässig. ![]() ![]() | |
5.4.6 Heikler erscheint die Rechtslage hingegen bei der Strafdrohung für die Tatbestände von § 9 Abs. 2 lit. b-g ÜStG. In diesen Fällen wird einzig passives Betteln sanktioniert, insbesondere an bestimmten Örtlichkeiten. Auszusprechen ist dabei unmittelbar eine Busse von Fr. 50.-, die bei Uneinbringlichkeit grundsätzlich bereits bei einmaliger Tatbegehung zu einer Ersatzfreiheitsstrafe umgewandelt wird und bei wiederholter Tatbegehung zu mehreren Tagen Freiheitsentzug führen kann. Dabei erscheint die Eignung einer Busse als Sanktionsmittel fraglich. Der Regierungsrat führt in seiner Stellungnahme an das Bundesgericht selbst aus, seit dem Inkrafttreten am 1. September 2021 seien bis Ende November 2021 154 auf § 9 Abs. 2 ÜStG gestützte Ordnungsbussen ausgestellt worden, wovon 21 beglichen worden seien. Auch wenn im Zeitpunkt dieser Aussage noch nicht bei allen dieser Bussen die Zahlungs- bzw. Bedenkfrist (nach § 27 Abs. 1 ÜStG) abgelaufen war und die jeweiligen genaueren Umstände unbekannt sind, kann zumindest davon ausgegangen werden, dass bei einem Grossteil der Anwendungsfälle im Ergebnis eine Freiheitsstrafe droht. Daraus lässt sich schliessen, dass offenbar bei einer deutlichen Mehrheit der Anwendungsfälle die Ersatzfreiheitsstrafe zur eigentlichen Sanktionsfolge wird. Überdies erscheinen gerade bei bettelnden Personen angesichts ihrer prekären Lebensverhältnisse die gesetzlichen Möglichkeiten, eine Busse durch gemeinnützige Arbeit abzuleisten (Art. 79a i.V.m. Art. 104 StGB) oder in Raten oder erst nach einer Fristerstreckung zu zahlen (Art. 35 i.V.m. Art. 106 Abs. 5 StGB), nicht situationsadäquat und damit tendenziell ebenfalls ungeeignet. Da eine Busse als Sanktion für den Verstoss gegen ein Bettelverbot regelmässig gegen mittellose Personen ausgesprochen wird und ebenfalls regelmässig zu einem Freiheitsentzug führt, auch wenn sie wie hier nur Fr. 50.- beträgt, trifft sie bedürftige Menschen deutlich härter als andere in vergleichbaren Situationen, in denen Ordnungsbussen verfügt werden. Die Busse bildet demnach häufig einen blossen Zwischenschritt zum Freiheitsentzug, der damit verbreitet die eigentliche Sanktionsfolge des Verstosses gegen das Bettelverbot darstellt. Dies kann mit Blick auf die Bedürftigkeit und besondere Vulnerabilität von bettelnden Menschen nicht zulässig sein. Überdies ist die Ersatzfreiheitsstrafe nach Art. 106 Abs. 2 StGB ![]() ![]() | |
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Erwägung 6 | |
6.2 Gemäss Art. 3 FZA in Verbindung mit Art. 1 Anhang I FZA verfügen freizügigkeitsberechtigte ausländische Personen gegen Vorlage eines gültigen Personalausweises oder Reisepasses über das Recht auf Einreise in das Hoheitsgebiet der anderen Vertragsparteien. Es gelten keine weiteren Voraussetzungen; insbesondere müssen sie keinen Nachweis über ausreichende finanzielle Mittel für den geplanten Aufenthalt erbringen (BGE 143 IV 97 E. 1). Was diesen Aufenthalt betrifft, ist allerdings zu unterscheiden: In der EU gilt für Unionsbürgerinnen und -bürger ein umfassendes Recht auf Freizügigkeit aufgrund von Art. 21 der konsolidierten Fassung des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (unterzeichnet in Lissabon am 13. Dezember 2007, AEUV, ABl. C 115 vom 9. Mai 2008 S. 47). Art. 6 der für die Schweiz nicht geltenden Unionsbürgerrichtlinie ![]() ![]() | |
6.3 Allerdings benötigen alle rechtmässig in die Schweiz eingereisten ausländischen Personen nach Art. 10 AIG keine Bewilligung für einen erwerbslosen Aufenthalt bis zu drei Monaten oder einen allenfalls gemäss des erteilten Visums kürzeren erwerbslosen Aufenthalt; die letztere Variante ist hier wegen der freizügigkeitsrechtlichen Visumsfreiheit nicht von Belang (vgl. Art. 1 Abs. 1 Anhang I FZA). Art. 4 Abs. 4 der Verordnung vom 22. Mai 2002 über den freien Personenverkehr zwischen der Schweiz und der Europäischen Union und deren Mitgliedstaaten, zwischen der Schweiz und dem Vereinigten Königreich sowie unter den Mitgliedstaaten der Europäischen Freihandelsassoziation (Verordnung über den freien Personenverkehr, VFP; SR 142.203) befreit Staatsangehörige der EU und der EFTA, die innerhalb eines Kalenderjahres insgesamt nicht länger als drei Monate in der Schweiz erwerbstätig sind, auch bei Erwerbstätigkeit von der Bewilligungspflicht; es gilt diesfalls jedoch eine Meldepflicht, wenn die Erwerbstätigkeit länger als acht Tage pro Kalenderjahr dauert (vgl. Art. 2 Abs. 4 Anhang I FZA i.V.m. Art. 9 Abs. 1bis und Art. 4 Abs. 4 VFP unter sinngemässem Verweis auf Art. 6 der Verordnung vom 21. Mai 2003 über die in die Schweiz entsandten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, EntsV; SR 823. 201; WEISS, a.a.O., Rz. 27.13). Weder Art. 10 AIG noch das Verordnungsrecht verschaffen freilich einen direkten Anspruch auf Anwesenheit. Eine Verordnungsbestimmung würde dafür ohnehin nicht genügen (BGE 145 I 308 E. 3.3.2 mit Hinweisen; UEBERSAX/SCHLEGEL, § 9 Einreise und Anwesenheit, in: Ausländerrecht, a.a.O., Rz. 9.226). ![]() ![]() | |
6.4.1 So hielt das Bundesgericht in BGE 136 II 65 E. 4.2 fest, das voraussetzungslose Aufenthaltsrecht bis zu drei Monaten sei für die Schweiz nicht verbindlich. Demgegenüber ging es in BGE 143 IV 97 E. 1 davon aus, Freizügigkeitsberechtigte verfügten über ein Recht auf Einreise und Aufenthalt von bis zu drei Monaten. Auf diese Unklarheit wurde denn auch im Schrifttum hingewiesen (CHRISTA TOBLER, Personenfreizügigkeit mit und ohne Unionsbürgerrichtlinie, in: Schweizerisches Jahrbuch für Europarecht 2017/2018, Epiney/Hehemann [Hrsg.], 2018, S. 445 ff.; vgl. auch MARC SPESCHA, in: Migrationsrecht, Spescha und andere [Hrsg.], 5. Aufl. 2019, N. 3 zu Art. 1 FZA). Die Rechtsprechung muss so verstanden werden, dass das Einreiserecht freizügigkeitsrechtlich begründet ist, das voraussetzungslose Aufenthaltsrecht bis drei Monate jedoch auf Landesrecht beruht.
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6.4.2 Dazu wird in der Literatur die Frage aufgeworfen, ob es überhaupt ein freizügigkeitsrechtliches Einreiserecht ohne freizügigkeitsrechtlichen Aufenthaltsanspruch geben könne (TOBLER, a.a.O., S. 446 ff.). Ein solcher separater Einreiseanspruch entbehrt aber nicht von vorneherein jeglichen Sinnes, wie sich etwa im Zusammenhang mit der strafrechtlichen Landesverweisung (vgl. BGE 143 IV 97; GLESS/PETRIG/TOBLER, Ein fachübergreifendes Prüfprogramm für die obligatorische Landesverweisung nach Art. 66a StGB, ![]() ![]() | |
6.5 Der freizügigkeitsrechtliche Begriff der Erwerbstätigkeit gemäss Art. 4 FZA und verschiedenen Bestimmungen, namentlich Art. 2, im Anhang I des Abkommens ist nicht zwingend deckungsgleich mit dem tendenziell weiteren Wirtschaftsbegriff der Wirtschaftsfreiheit nach Art. 27 BV. Ob jemand subjektiv über eine Erwerbsabsicht verfügt, ist dabei nicht entscheidend. Massgeblich sind vielmehr die konkreten wirtschaftlichen Umstände. Gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung setzt Erwerbstätigkeit quantitativ wie qualitativ eine echte und tatsächliche wirtschaftliche Tätigkeit voraus (BGE 141 II 1 E. 2.2.4 mit Hinweisen). Dazu gehört eine planmässige Verwirklichung der Erwerbsabsicht in der Form von Arbeitsleistung. Selbstständige Erwerbstätigkeit liegt in der Regel vor, wenn durch Einsatz von Arbeit und Kapital in frei bestimmter Selbstorganisation und nach aussen sichtbar am wirtschaftlichen Verkehr teilgenommen wird mit dem Ziel, Dienstleistungen zu erbringen oder ![]() ![]() | |
6.6 Ein erwerbsloser Aufenthalt nach Art. 6 FZA setzt für Freizügigkeitsberechtigte gemäss Art. 24 Anhang I FZA unter anderem ausreichende finanzielle Mittel voraus, wovon bei Bettelnden in der Regel nicht auszugehen ist. Ob dies beim seltenen Phänomen bettelnder wohlhabender Personen ("bettelnde Millionäre") anders zu beurteilen wäre, kann hier im Rahmen der zu leistenden abstrakten Normenkontrolle offenbleiben, schlösse diese eine entsprechende Abweichung im Anwendungsfall doch nicht aus. Für das Aufenthaltsrecht von Dienstleistungsempfängerinnen und -empfängern (gemäss Art. 5 Abs. 3 FZA und Art. 23 Anhang I FZA) verlangt die schweizerische Praxis gleich wie beim erwerbslosen Aufenthalt ausreichende finanzielle Mittel und eine gültige Krankenversicherung (vgl. die Weisungen VFP des Staatssekretariats für Migration SEM, Weisungen und Erläuterungen zur Verordnung über den freien Personenverkehr, Fassung vom Januar 2023, Ziff. 6.4, Zugriff über ![]() ![]() | |
6.7 Beim Freizügigkeitsabkommen handelt es sich im Übrigen um ein statisches Abkommen, das auf der Rechtslage (acquis communautaire) im Zeitpunkt seines Abschlusses am 21. Juni 1999 beruht. An nachträglich ergangene Rechtserlasse der EU im Anwendungsbereich des Freizügigkeitsrechts, wie etwa die bereits genannte Unionsbürgerrichtlinie, ist die Schweiz nicht gebunden (vgl. Art. 16 Abs. 1 FZA; BGE 136 II 65 E. 4.2). Bei der Auslegung von Begriffen, die dem europäischen Gemeinschaftsrecht entsprechen, ist die einschlägige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EuGH) vor dem Zeitpunkt der Unterzeichnung des Abkommens zu berücksichtigen (Art. 16 Abs. 2 FZA). Für spätere Urteile des EuGH gilt lediglich ein Beachtungsgebot, um eine möglichst parallele Rechtslage zu gewährleisten, solange keine triftigen Gründe dagegen sprechen, aber keine Befolgungspflicht (BGE 144 II 113 E. 4.1; BGE 143 II 57 E. 3.6; BGE 139 II 393 E. 4.1.1; je mit Hinweisen). Dass sich in diesem Sinne aus für die Schweiz verbindlichen Erlassen der EU oder Urteilen des EuGH ein freizügigkeitsrechtlicher Schutz gegen Bettelverbote ergeben würde, vermögen die Beschwerdeführenden nicht darzutun. Im Gegenteil findet sich in § 19 ff. des Urteils Lacatus gegen Schweiz eine Übersicht über die Rechtslage in 38 Mitgliedstaaten des Europarates. Daraus geht hervor, dass namentlich in den EU-Mitgliedstaaten Estland, Frankreich, Irland, Italien, Kroatien, Luxemburg, Polen, Slowenien, Ungarn und Zypern Bettelverbote auf nationaler Ebene sowie in Belgien, Deutschland, Lettland, Litauen, Niederlande, Österreich, Schweden, Spanien und Tschechien solche auf lokaler Stufe gelten bzw. im Zeitpunkt des ![]() ![]() | |
Erwägung 7 | |
7.2 Gemäss dem in Art. 8 Abs. 2 BV verankerten Diskriminierungsverbot darf niemand diskriminiert werden, namentlich nicht wegen der Herkunft, der Rasse, des Geschlechts, des Alters, der Sprache, der sozialen Stellung, der Lebensform, der religiösen, weltanschaulichen oder politischen Überzeugung oder wegen einer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung. Das Diskriminierungsverbot schliesst die Anknüpfung an ein verpöntes Merkmal jedoch nicht absolut aus. Eine solche begründet vielmehr den Verdacht einer unzulässigen Differenzierung, der durch eine qualifizierte Rechtfertigung umgestossen werden kann (BGE 147 I 1 E. 5.2; BGE 138 I 217 E. 3.3.3; BGE 136 I 297 E. 7.1 mit Hinweisen). Die Hürde für die ![]() ![]() | |
7.3 Art. 14 EMRK garantiert den Genuss der in der Konvention anerkannten Rechte und Freiheiten ohne Diskriminierung insbesondere wegen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der Sprache, der Religion, der politischen oder sonstigen Anschauung, der nationalen oder sozialen Herkunft, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt oder eines sonstigen Status. Das konventionsrechtliche Diskriminierungsverbot wirkt nicht absolut, sondern nur akzessorisch; es setzt voraus, dass der Anwendungsbereich eines der Artikel der Konvention oder ihrer Zusatzprotokolle eröffnet ist (BGE 143 I 1 E. 5.5; Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte Nr. 78117/13 Fábián gegen Ungarn vom 5. September 2017, § 112). Zudem ist nicht jede Ungleichbehandlung unzulässig; von einer konventionswidrigen Diskriminierung ist vielmehr nur auszugehen, wenn andere Personen oder Personengruppen, die sich in einer vergleichbaren Situation befinden, besser behandelt werden, die Unterscheidung auf einem verpönten Merkmal beruht und sie nicht durch objektive und vernünftige Gründe gerechtfertigt ist, das heisst, sie kein legitimes Ziel verfolgt oder kein vernünftiges Verhältnis zwischen dem eingesetzten Mittel und dem angestrebten Ziel besteht (Urteile des EGMR Nr. 23040/13 Ryser gegen Schweiz vom 12. Januar 2021, § 46 f.; ![]() ![]() | |
7.5 Das Bundesgericht hat sich schon verschiedentlich mit der Frage der indirekten Diskriminierung bei Bettelverboten auseinandergesetzt. Es kam dabei wiederholt zum Schluss, eine solche indirekte Diskriminierung sei zu verneinen, solange keine konkreten Anhaltspunkte dafür bestünden, dass das Bettelverbot auch in der Praxis ![]() ![]() ![]() |